Nr. 3
dr.-peter-schniering.jpg

Dr. Peter Schniering über Tech-Lösungen im Kampf gegen den Klimawandel

Peter beschäftigt sich mit technologischen Lösungen für vernachlässigte Probleme in der Klimakrise. Im Gespräch geht es darum, warum die Zementindustrie ein Riesen-Problem darstellt und wieso er Wasserstoff für zu sehr gehyped und gleichzeitig extrem wichtig hält. Und Peter erzählt, was ihn optimistisch stimmt und warum die öffentliche Klimawandel-Debatte für seinen Geschmack zu negativ geführt wird.

Für anonymes Feedback zu dieser Folge hier entlang: https://forms.gle/NdU7Ad8JJHGjszCA9

In Folge 3 habe ich mit Dr. Peter Schniering geredet. Er hat im Bereich Klimapolitik promoviert und beschäftigt sich seit Jahren mit der Bekämpfung des Klimawandels - in der Vergangenheit als Berater der Vereinten Nationen und der Internationalen Energieagentur. Er hat 2020 den Thinktank Future Cleantech Architects gegründet, der sich mit vernachlässigten technologischen Lösungen beschäftigt und diese in die Politik trägt. Die Organisation arbeitet mit Beratenden und Expert*innen beispielsweise von den Vereinten Nationen oder dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, aber auch aus Unternehmen wie Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) zusammen.

Was wir erwähnt haben:

Weiterführende Lesetipps:

  • Bericht über den aktuellen Stand der Klima-Philanthropie der Charity-Bewertungsorganisation Founder’s Pledge (mit Begründung, warum Founder's Pledge ausgerechnet FCA als besonders effektiv einstuft)
  • "Kleine Gase, große Wirkung" als Einführung in Klimawandel-Problematik
  • Hier sind Spenden an FCA und andere Klimaschutz-Organisationen möglich

Die Themen

Öffentliche Debatte zu Klimawandel

Peter verfolgt mit seiner Organisation einen eher optimistischen Ansatz mit Blick auf die Klimakrise und mögliche Lösungen.

  • "Was uns häufig in unserer Arbeit auch deutlich fehlt - übrigens auch in den Wahlkämpfen zum Beispiel oder in politischen Debatten in Deutschland zu kurz kommt, ist diese große Chance, die dahinter liegt. Natürlich gibt es hohen Handlungsdruck in einer Notsituation, in der jetzt einfach ganz schnell in ganz vielen Sektoren agiert werden muss, um eben auf einem 1,5 oder 1,7 oder 1,8 Grad (oder was immer dann sich als möglich herausstellen wird), Pfad zu bleiben. Es bringt eine riesige Chance mit sich - in ganz vielen Bereichen. Das betrifft wirtschaftliche Entwicklung, das betrifft Lebensqualität auf vielen Feldern. Das betrifft Innovationen nicht nur in dem Wirtschaftssektor, hier aber besonders und auch besonders in Deutschland."
  • "Die Emotionalität, glauben wir, muss man aus der ganzen Debatte ein Stück weit rausnehmen - zumindest auf EntscheidungsträgerInnen und Entscheidungsträgerebene, und schauen: Welche Hebel haben wir wo? Was ist noch nicht weit genug? Was muss jetzt gestartet werden in der Forschung und Entwicklung? Was muss dann durch die Innovationsstufen durch die jeweiligen Technologiereifegrade getragen werden? Was braucht es dafür, um irgendwie weiterzukommen? Da braucht es viel Pragmatismus. Vor allem muss man eine breite Koalition hinbekommen. Nicht im politischen Sinne eine Koalition, sondern der Interessengruppen, der gesellschaftlichen Akteure. Sonst ist dieser Kraftakt nicht zu stemmen."
  • "Man kann nicht in Europa mit den gleichen Methoden arbeiten, mit denen man in den Vereinigten Staaten oder auch in anderen Weltregionen neue Technologien entwickelt, kommuniziert und Akzeptanz schafft. Die funktionieren in Europa nicht. Also nimmt man sich die positivsten Aspekte aus einem US-Diskurs, wo ein bestimmtes Technologie-Feld vielleicht schon weiter ist und überlegt: Wie positioniert man das? Das richtet sich an Politikerinnen und Politiker, an wirtschaftliche EntscheidungsträgerInnen und andere Akteure auf dem Feld und überlegt: Wie kriege ich dieses System, was wünschenswert wäre in Europa, platziert, und zwar so, dass ich die wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen mitziehe? Und dass auch die jeweils regierenden Parteien nicht beim nächsten Mal gnadenlos abgestraft werden, wenn es an die Wahlurne geht - sondern dass eine Bevölkerung zumindest im Großteil das nachvollziehen kann, das auch für gutheißt und dann doch etwas drastischen technologischen Wandel auch irgendwie akzeptiert, vielleicht sogar begrüßt."

Die Zementindustrie

Ein Arbeitsfeld der Future Cleantech Architects ist die Zementindustrie - diese zählt zu den sogenannten schwer zu dekarbonisierbaren Sektoren; also den Bereichen, bei denen es extrem schwierig ist, den CO2-Ausstoß zu eliminieren.

  • "Zement ist das am häufigsten verwendete Baumaterial der Erde. Nur Wasser wird noch häufiger verwendet. Das ist ein wahnsinnig großer Treiber zu den weltweiten Emissionen, je nach Klassifizierung und Jahr ist man im Bereich von sieben bis acht Prozent der gesamten weltweiten Treibhausgasemissionen. Und es hat Herausforderungen: Es löst bei der Zementerstellung, beim Klinkerbrennen diese hohen Prozess-Emissionen aus. Für diesen Prozess braucht man sehr hohe Temperaturen - und sehr hohe Temperaturen sind bisher nicht so leicht elektrisch zu lösen. Da ist noch viel in den Kinderschuhen, was die Technologie angeht. [...] Selbst wenn man das reduziert: Man müsste diese Emissionen abscheiden und speichern. Und man muss den Prozess auch erst mal erneuerbar feuern bei Temperaturen, die deutlich jenseits der 1200 1300 Grad sind, die nicht so leicht elektrisch prozesssicher bisher in der Fläche verfügbar sind."

Wasserstoff

Wasserstoff ist eines von Peters Lieblingsthemen: Einerseits steht Wasserstoff seiner Ansicht nach zu sehr im Fokus der Diskussion - gleichzeitig wünscht er sich beispielsweise beim Thema Individualverkehr, es würde weniger über Wasserstoff gesprochen, da dieses Rennen bereits von Elektroautos gewonnen wurde. Gleichzeitig hält er Wasserstoff für bestimmte Bereiche unabdingbar.

Bei Wasserstoff werden verschiedene Arten der Produktion durch Farbcode-Bezeichnungen unterschieden, das sind die beiden wichtigsten:

- Grüner Wasserstoff wird CO2-neutral durch Elektrolyse gewonnen

- Grauer Wasserstoff ist nicht CO2-neutral, er entsteht beispielsweise durch Dampfreformierung fossiler Brennstoffe

  • "Es ist viel zu wenig bekannt, dass Wasserstoff ein riesen Klimaproblem ist, weil es ein riesiger bestehender Markt ist; je nachdem, welche Art von Wasserstoff man sich anguckt, ob mit anderen Gasen gemischt sind oder puren Wasserstoff: 60, 80, 100 Millionen Tonnen pro Jahr, die genauso viel Treibhausgase ausstoßen wie das komplette globale Luftfahrt-Segment. Der Wasserstoff, der derzeit produziert wird, ist zu 98 Prozent grau, grünen Wasserstoff gibt es in der Fläche fast noch gar nicht. Und der grüne Wasserstoff, den es gibt, ist viel zu teuer. Der ist ums drei, dreieinhalb fache zu teuer. Da ist ein wahnsinniger Innovationsbedarf, weil wenn wir auf diese Lösungen setzen - und wir brauchen Wasserstoff für verschiedene Verfahren! Unter anderem für die Stahlherstellung und um Düngemittel zu produzieren - dann müssen die Kosten runter. Sonst wird diese Umstellung nicht funktionieren. Sonst werden die Unternehmen und die Konsumenten nicht in der Fläche auf grünem Wasserstoff umstellen."

Wie sich vielversprechende Technologien fördern lassen

  • "Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen ambitionierte Technologie-Ansätze auf eine Förderungslandschaft und auf ein Umfeld treffen, in dem sie die Chance haben, in den verschiedenen Technologie-Reifegraden von ganz früh aus dem Labor bis relativ spät kurz vor der Kommerzialisierung auf Unterstützung anzutreffen, die ihnen ermöglicht, diese Ideen vom ersten Labor-Konzept - wenn sie sich denn als effektiv und und auch mit einem entsprechenden Kostenpotenzial herausstellen! - in die Fläche zu tragen. Dazu gehört unbedingt eine Entbürokratisierung in der Förderlandschaft. Es ist in Europa, in Deutschland speziell, teilweise sehr schwierig für frühe Ideen, überhaupt die erste Förderung zu kriegen. Wir sprechen da viel mit Innovatoren, wo man fast schon einen Berater braucht, um die Antragsunterlagen richtig auszufüllen. Das ist etwas, wozu Innovationsförderung, schlankere Verfahren und auch ergebnisorientiertere Verfahren helfen würden."

Der deutsche Hebel in der Klimakrise

Deutschland trägt zu den weltweiten Treibhausgas-Emissionen aktuell jährlich etwa zwei Prozent bei. Deswegen kommt oft das Argument, die deutsche Klimapolitik sei nicht so wichtig, vor allem Länder wie China oder Russland sollten ihre Klimapolitik ändern. Das sieht Peter anders.

  • "Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, die für ein ambitioniertes Vorgehen Deutschlands bei Cleantech sprechen. Das hat zum einen natürlich mit der historischen Verantwortung zu tun - der Anteil der historischen Emissionen kommt hinzu und der ist immer deutlich höher gewesen als diese zwei Prozent, weil Deutschland natürlich einen anderen Anteil an der Weltwirtschaft und den emissionsintensiven Herstellungsprozessen gehabt hat in der Vergangenheit.
    Aber selbst wenn man das ausblenden würde und sagen würde: Uns interessiert nur das Hier und Heute; dann darf man nicht unterschätzen, welchen weltweiten Effekt die in Deutschland hergestellten Technologien haben vor allem aus dem Maschinen- und Anlagenbau, aus der Chemieindustrie, zum Teil jetzt auch aus dem Automotive-Bereich, aus dem solaren Anlagenbau und so weiter. Vieles, was in Deutschland sowohl auf Forschungs- und Entwicklungsseite als auch angewandt und über den sehr starken Mittelstand exportiert oder auch in anderen Ländern produziert wird und hier entwickelt wurde, hat einen ganz erheblichen Hebel. Das ist das eine.
    Das andere ist einfach diese politische Vorbildrolle.
    Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, die Energiewende generell, die als Begriff in den englischen Sprachschatz übergegangen ist, ist eigentlich bei jeder internationalen Diskussion Thema und es ist jedem ein Begriff - egal ob aus Lateinamerika, aus Afrika oder aus Asien. Dessen müssen sich Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger bewusst sein.
    Die meisten der Future Emissions, die in den nächsten Jahren anstehen, entstehen natürlich in den stark wachsenden, vielleicht auch gerade erst entwickelnden urbanisierenden industrialisierenden Regionen. Und da hat Technologie, die hier komplett oder zum Teil entwickelt wurde, in Kollaboration mit anderen Partnern, sei es in Europa, eine enorm wichtige Rolle. Und deshalb greift dieses 2-Prozent-Argument viel zu kurz."
pageview counter pixel