Nr. 1
Porträt von Ökonom Johannes Haushofer

Dr. Johannes Haushofer über Armutsforschung

In mehreren Studien hat Johannes die Auswirkungen bedingungsloser Geldtransfers an Menschen in extremer Armut von der NGO GiveDirectly untersucht. Außerdem ging es im Gespräch um psychologische Merkmale von Menschen in extremer Armut und um ethische Aspekte randomisierter, kontrollierter Studien.

Dr. Johannes Haushofer über Armutsforschung

Herzlich willkommen bei der ersten Folge von Wirklich Gut, dem neuen Interview-Podcast über gute Ideen für große Probleme. Ich bin Sarah Emminghaus und ich arbeite als freie Journalistin in Berlin. Für den Podcast spreche ich mit Menschen darüber, wie wir Fortschritte machen können bei wichtigen globalen Themen - und das möglichst evidenzbasiert und effektiv.

Ich will in dem Podcast mit Experten und Expertinnen darüber reden, was passieren muss, damit es mehr Menschen besser geht - nicht nur heute, sondern auch künftigen Generationen. Mich interessieren dabei Themen, die global gesehen besonders wichtig und bisher eher vernachlässigt sind.

In den Gesprächen wird es um Armut gehen, um globale Gesundheit, aber auch um den Klimawandel und etwa um künstliche Intelligenz.



Und nun zur heutigen Folge: Es gibt weltweit immer noch hunderte Millionen Menschen, die in extremer Armut leben. Was, wenn einer dieser Menschen einfach mehr Geld hätte? Also, wenn er einfach so von einem Tag auf den anderen ein oder zwei ganze Jahresgehälter bekäme? Was würde er damit tun? Und was macht extreme Armut eigentlich mit der Psyche?

Über diese Fragen habe ich mit Dr Johannes Haushofer gesprochen. Johannes ist Ökonom an der Universität Stockholm, vorher war er bereits in Oxford, Princeton und Harvard. Er hat sich in seiner Forschung unter anderem mit bedingungslosen Geldtransfers an Menschen in extremer Armut beschäftigt. Johannes hat die Studien zur Organisation GiveDirectly durchgeführt, aufgrund derer inzwischen auch unabhängige Expert*innen Spenden an GiveDirectly als sehr effektiv einstufen. Außerdem rede ich mit Johannes über Auswirkungen von extremer Armut auf die mentale Gesundheit - und darüber, welchen Einfluss Geldtransfers haben können.

Bei Feedback zur Folge meldet euch gerne bei mir, schreibt mir einfach eine Mail unter hallo@wirklichgut-podcast.de oder schreibt mir bei Twitter unter Wirklich Unterstrich Gut.

Viel Spaß bei der ersten Folge des WirklichGut-Podcasts mit Johannes Haushofer!

Sarah: Ich freue mich auf jeden Fall sehr, dass du da bist und dass du dir Zeit nehmen konntest. Ich würde gerne damit anfangen, dass du dich vielleicht einmal kurz dich und deinen Werdegang vorstellst.

Johannes: Ich bin Johannes Haushofer. Ich komme ursprünglich aus Hof in Bayern und habe dann nach dem Abi erst Psychologie, Physiologie und Philosophie studiert und dann erst in Neurowissenschaft eine Doktorarbeit geschrieben und dann in VWL, also Volkswirtschaft. Und dann war ich eine Zeit lang in ein Boston Postdoc und dann Assistenzprof in Princeton. Und jetzt bin ich seit einem Jahr ungefähr hier in Stockholm.

Sarah: Du hast ja gerade schon erwähnt:  Du warst in Princeton. Du hast auch einen Doktor in Harvard gemacht, du hast deinen Bachelor in Oxford gemacht. Und dann hast du von paar Jahren den CV of Failures veröffentlicht, der auch ziemlich viel Aufmerksamkeit bekommen hat in Medien. Also quasi einen Lebenslauf des Scheiterns, wo du alles aufgezählt hast, was in deiner Karriere bisher nicht so funktioniert hat. Dinge, auf die du dich beworben hast und die du nicht gekriegt hast zum Beispiel. Wie kamst du dazu und was findest du daran vielleicht auch sinnvoll?

Johannes: Also ich kam zuerst auf die Idee, als ich davon in der Fachzeitschrift Nature gelesen habe. Eine befreundete, inzwischen Neurobiologin aus Edinburgh, hatte das vorgeschlagen in einer Kolumne, dass man das machen könnte, so einen Lebenslauf der Fehlschläge schreiben, um sich so ein bisschen vor Augen zu halten, was man so alles probiert hat. Und ich habe das damals für eine Freundin geschrieben, die bei einer Bewerbung gescheitert war und traurig war. Und dann hab ich ihr also meinen geschickt und das fand sie irgendwie hilfreich. Und ein paar Jahre später ist das gleiche nochmal passiert und da hab ich ihn dann ins Netz gestellt. Und dann ist das so seinen Lauf gegangen. Also ich fand es einfach eine nette Idee, sich ein bisschen klarzumachen, was man alles schon probiert hat. Auch das Scheitern vielleicht ein bisschen zu normalisieren. Gerade im akademischen Bereich, da sieht man oft nur die Sachen, die klappen und denkt dann, alle anderen sind super erfolgreich und nur man selber hat die ganzen Niederlagen. Aber das stimmt ja nicht. Und die mal sichtbar zu machen fand ich ganz sinnvoll.

Sarah: Da kann ich auch sehr relaten. Also finde ich eine sehr sinnvolle und gute Idee. In deiner Arbeit jetzt beschäftigst du dich ja total viel mit Armut, vor allem in Ländern mit sehr niedrigem Einkommen. Wie kam der Themenschwerpunkt denn zu dir? Was hat dich da angefixt?

Johannes: Das war eigentlich schon immer ein Interesse im Hintergrund zunächst, dass ich mir gedacht habe:  Das ist eines der größten Probleme, die wir haben und viele andere Probleme, kann man behaupten, basieren darauf, also viele Konflikte beispielsweise haben teilweise zumindest ökonomische Wurzeln und deswegen fand ich es immer schon ein bisschen schwierig zu rechtfertigen, nicht an dem Thema zu arbeiten. Und als ich dann in Neurowissenschaft zur Hälfte mit der Promotion fertig war, hab ich mir gedacht: Na, ich muss das jetzt doch irgendwie angehen auf eine oder andere Weise. Und das war gerade so die Zeit, in dem die Leute angefangen haben randomisierte Feldstudien zu machen in Entwicklungsökonomie. Also Experimente, wo man ne Behandlungsgruppe und eine Kontrollgruppe hat, wo man wissenschaftlich testen kann, was funktioniert und was nicht funktioniert. Und den Ansatz fand ich super attraktiv, weil der es ermöglicht, wirklich auf wissenschaftlicher Basis rauszufinden, was gut ist und was nicht. Und so habe ich dann also diesen Wechsel vorgenommen.

Sarah: Du hast ja gerade Wechsel gesagt. Ich finde es spannend, dass du dich auch so viel mit dem Thema Psychologie von Armut beschäftigst. Ich kann mir vorstellen, dass da das, was du vorher in Neurowissenschaften gemacht hast, vielleicht zu Teilen auch nochmal miteinfließt in der Psychologie von Armut. Das setzt ja schon mal voraus, dass es psychologisch gesehen Besonderheiten gibt bei Menschen, die in Armut leben. Erstmal bevor wir ganz, ganz viele andere Themen behandeln, würde ich gern mal abklären: Was meinen wir in deinem Forschungsfeld eigentlich mit Menschen, die in Armut leben? Und dann was unterscheidet diese Menschen von reichen Menschen psychologisch gesehen?

Johannes: Also die Arbeitsdefinition von Armut ist eine relativ simple, nämlich einfach Leute mit geringem Einkommen oder geringem Konsum. Und das ist so ein bisschen eine kurzsichtige Ökonomen-Definition, aber die korreliert mit sehr viel anderem, was natürlich auch wichtig ist und was auch zur Armut gehört, also wie beispielsweise Bildungschancen und solche Sachen, Gesundheit. Insofern ist es eine etwas operationalisierte simple Definition, aber die schließt trotzdem relativ viel mit ein, dadurch dass sie eben mit anderen Dingen korreliert. Und die psychologischen Besonderheiten von Armut - da muss man immer ein bisschen aufpassen, wenn man das beschreibt, weil man damit leicht in den Verdacht gerät zu sagen: Arme Leute sind irgendwie defizitär. Deswegen ist vielleicht wichtig, dem, was ich sage, vorauszuschicken, dass eben der Gedanke gerade nicht ist, dass arme Leute defizitär sind, sondern dass sie bestimmte psychologische Folgen erleiden, eben dadurch, dass sie in Armut geboren wurden und die offensichtlichsten und aus meiner Sicht nicht ganz unwichtigen sind, dass sie oft gestresst, unglücklich und depressiv sind. Also arme Leute, da gibt's inzwischen ziemlich viele Daten drüber, leben eben nicht, wie man sich vielleicht landläufig gerne vorstellt so ein simples, glückliches Leben, sondern wenn man kein Geld hat, dann ist es psychologisch sehr belastend und kann sehr unglücklich machen. Und das ist, glaube ich, so das Hauptmerkmal, das mich umtreibt.

Sarah Als ich mich mit deiner Forschung beschäftigt hab, hab ich, als eines der ersten Paper "On the Psychology of Poverty" gelesen, das du von paar Jahren mit dem Ökonomen Ernst Fehr geschrieben hast. Was ich übrigens auch den Zuhörer*innen voll ans Herz legen würde, weil ich fand, auch wenn man normalerweise keine Studien liest, bietet das einfach einen super guten Überblick zu total wichtigen Punkten zu dem Themenbereich. Darin schreibt ihr auf jeden Fall "Poverty may favor behaviors that make it harder to escape poverty", also: Armut könnte Verhaltensweisen fördern, die es erschweren, der Armut zu entkommen. Was meint ihr mit den Verhaltensweisen?

Johannes: Es ist ein Merkmal von Depression beispielsweise, dass man es sehr schwierig findet, den Aufgaben des täglichen Lebens nachzugehen. Sogar die Diagnosekriterien von Depression beinhalten, dass man Schwierigkeiten hat, am Arbeitsplatz seinen Job zu erledigen. Und wenn nun Depression selbst eine Folge von Armut ist, dann hat man sofort den Teufelskreis. Also Armut erzeugt Depression und Depression macht es sehr schwierig, dann weiterhin im Arbeitsleben "zu funktionieren". Und das ist dann natürlich der Zukunft und den Einkommensaussichten nicht zuträglich. Und dann hatten wir, als wir das Paper geschrieben haben, noch einen engeren Mechanismus im Kopf. Und zwar die Möglichkeit, dass, wenn man gestresst und depressiv ist, dass man dann andere ökonomische Entscheidungen trifft, also dass man beispielsweise kurzsichtiger ist und risikoscheuer. Kurzsichtigkeit ist deswegen womöglich nicht zuträglich, weil man dann keine langfristig orientierten Entscheidungen trifft, wie beispielsweise in Bildung und Gesundheit zu investieren, sondern man investiert dann womöglich eher in den kurzfristigen Trost. Und Risikoaversion könnte deswegen problematisch sein, weil man, wenn man arm ist, oft Kleinunternehmer ist oder Kleinstunternehmer und dann Investitionen tätigen muss, die mit einem gewissen Risiko einhergehen zwangsläufig. Und wenn man sich davor scheut, dann ist es womöglich auch nicht gut. Jetzt die empirische Evidenz zu just diesen Mechanismen ist jetzt nicht so wahnsinnig stark. Also die gibt's schon. Aber mein Vorurteil - und ich sage bewusst Vorurteil, weil in allen Bereichen noch ziemlich wenig Daten vorhanden sind in dem Gebiet – ist, dass der andere Mechanismus über geistige Gesundheit und Depressionen womöglich stärker ist.

Sarah: Wie meinst du das? Welcher Zusammenhang ist stärker als welcher andere?

Johannes: Vielleicht kann ich es noch ein bisschen aufdröseln. Also es gibt zwei kausale Behauptungen in diesem Teufelskreis: Die eine ist, dass Armut bestimmte psychologische Konsequenzen hat, also beispielsweise Stress und Depressionen und Unglück erzeugt. Und dafür ist die Evidenz sehr robust. Da können wir im Einzelnen auch drauf eingehen, aber das ist wirklich relativ gut belegt. Und dann ist die andere kausale Behauptung, dass diese psychologischen Konsequenzen von Armut sich wiederum auf Entscheidungsfindungen auswirken oder auf andere Variablen, die dann Armut verstärken. Und von diesem zweiten kausalen Pfad gibt's wiederum zwei Versionen. Die eine ist, dass klinische Depressionen bestimmte Verhaltensweisen hervorruft, die Armut verstärken, wie beispielsweise, dass man es schwierig findet, seiner Arbeit nachzugehen. Also das ist einfach so eine Art, dass man auf gewisse Weise ohnmächtig fast schon wird oder zumindest nicht mächtig seiner Arbeit nachzugehen. Und meine momentane Arbeitshypothese ist, dass dieser Weg relativ mächtig sein kann, also dass da wirklich großer Schaden entsteht, weil Leute durch Depressionen nicht ihrer Arbeit nachgehen können. Die andere Version dieses zweiten kausalen Pfades ist, dass Stress und Depressionen ökonomische Entscheidungen enger gefasst verändern. Enger gefasst insofern, als man da zumeist bislang Zeitpräferenzen und Risikopräferenzen untersucht hat, also Ungeduld und Risikoaversion. Und diese Effekte, die gibt's schon. Also wenn Leute gestresst sind, dann sind sie tatsächlich risikoscheu und sie sind tatsächlich ein bisschen ungeduldiger. Aber die sind nicht so wahnsinnig groß, die sind nicht so super stabil. Also die tauchen manchmal auf in den Experimenten, manchmal nicht. Und es wurde noch ganz selten gezeigt, dass die wirklich im Alltag eine Konsequenz haben, während die Alltagskonsequenzen von Depressionen Psychiatern seit Jahrzehnten vertraut sind. Und die haben oft ökonomische Implikationen. Deswegen habe ich gesagt, dieser Mechanismus ist vielleicht ein bisschen stärker als der jetzt über diese eng gefassten ökonomischen Entscheidungen wie Zeitpräferenzen und Risikoaversion.

Sarah: Gibt es Evidenz in die Richtung, dass bessere psychische Gesundheit zu besseren Entscheidungen bzw. besserer Alltagsbewältigung führt? Oder fällt das unter das, was du gerade gesagt hast, dass das zu dem Themenkomplex gehört, der einfach gerade noch nicht so stabil ist?

Johannes: Da gibt's schon in gewissem Umfang Evidenz dafür. Die kommt meistens aus der Psychiatrie, wo diese Variablen nicht so wahnsinnig im Vordergrund stehen. Also die fragen dann zwar oft schon, ob die Leute die Aufgaben des Alltags erledigen können und das ist wirklich oft besser, nachdem jemand eine Therapie durchlaufen hat. Aber die Variablen, die Ökonomen interessieren, die sind noch nicht so ausführlich untersucht, also beispielsweise Konsum oder Einkommen. Es gibt da aber schon erste Erkenntnisse. Beispielsweise gibt's eine Studie in Pakistan, die zeigt, dass Mütter, die nach der Geburt depressiv waren und eine Therapie bekamen, dass die mehrere Jahre später mehr investiert haben in ihre Töchter und Söhne, vor allem in die Bildung. Dann gibt's Evidenz, die zeigt, dass ein simples Psychotherapie-Programm in Liberia, die den Leuten geholfen hat, ein bisschen mehr in ihre Kleinstunternehmen zu investieren. Also es gibt da schon erste Anzeichen dafür. Es gibt ein neues Papier aus Indien, wo gezeigt wurde, dass Pharmakotherapie, also Antidepressiva, sogenannte Human Capital Investments erhöhen, also die Investitionen in Bildungsmöglichkeiten. Das heißt, es gibt da schon erste Anzeichen dafür. Aber es ist noch relativ jung, dieses Forschungsfeld.

Sarah: Und dieser ganze Themenkomplex, inwieweit lässt er sich von einem individuellen Level auf ein staatliches Level heben? Also, was kannst du sagen zum Zusammenhang zwischen dem GDP, also Bruttoinlandsprodukt eines Landes, und mentaler Gesundheit bzw. psychologischen Merkmalen der Bewohner*innen?

Johannes: Ja, den Zusammenhang gibt's und er ist ziemlich stark. Und das ist auch etwas, was man vielleicht landläufig nicht so oft hört. Oder man hört sogar vielleicht teilweise gegenläufiges, nämlich, dass Geld nicht glücklich macht. Und in allen Datensätzen, die ich kenne, ist das Gegenteil der Fall. Also die Länder, die höheres Einkommen haben, sind tatsächlich im Durchschnitt glücklicher, haben niedrigere Depressionen als andere. Und das gilt sowohl innerhalb von Ländern als auch über die Länder hinweg. Also reichere Leute innerhalb eines Landes haben weniger Depressionen und sind glücklicher als andere Leute und reichere Länder ebenso.

Sarah: Also gibt es durchaus ein Interesse daran, daran zu arbeiten, dass sich das Bruttoinlandsprodukt eines Landes erhöht, dass die Menschen, die dort leben individuell mehr Geld verdienen und eben auch im gesamten Land mehr.

Johannes: Also streng genommen kann man das aufgrund dessen, was ich gerade gesagt habe, noch nicht behaupten, weil es nur eine Korrelation ist. Also das sagt nur, dass reichere Länder glücklicher sind. Das heißt noch nicht unbedingt, dass Reichtum auch glücklich macht. Dafür braucht man dann eben diese kausalen Studien, die beispielsweise den Leuten Geldtransfers geben oder sie anders irgendwie zu einem besseren Leben kommen lassen und dann eben messen, ob sich das tatsächlich auswirkt auf Variablen wie Depressionen, Glück. Nur mit den Daten kann man das noch nicht behaupten. Und das ist eben genau diese Frage. Wie ergibt sich dieser korrelative Zusammenhang? Ist das ein kausaler Effekt von Einkommen aus Glück und Depression oder ist das ein kausaler Effekt von Depressionen und Glück auf Einkommen? Oder ist es beides? Und wie stark sind diese Verbindungen in beide Richtungen?

Sarah: Du hast ja gerade schon die Geldtransfers angesprochen. Darüber würde ich unbedingt gleich ganz viel reden wollen. Vorher wollte ich noch auf ein anderes Phänomen zu sprechen kommen, nämlich inwiefern eine schlechte finanzielle Situation auch zu weniger kognitiven Ressourcen im Sinne von Knappheit/Scarcity führen kann. Da haben Sendhil Mullainathan und Eldar Shafir gemeinsam das Buch "Knappheit. Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben" geschrieben. Und die haben da ja ganz viele Studien zu dem Thema durchgeführt. Und mit diesem Konzept - das würde ich gerne einmal kurz einführen -, das auf Englisch eben Scarcity genannt wird, meinen die beiden Forscher, dass Knappheit in einem Bereich dazu führen kann, dass man weniger Aufmerksamkeit und Gedanken auf den Rest des Lebens verwenden kann. Zum Beispiel - korrigier mich, wenn das zu vereinfacht ist - ich dachte dabei an das Gefühl, wenn man sich bei Liebeskummer auf der Arbeit nur noch total schlecht konzentrieren kann, weil der Kopf halt immer ganz woanders ist und eingenommen mit einem anderen Thema ist. Da gab's auch ein Experiment, das ich ganz erwähnenswert fand, wo sie in dem Armutskontext untersucht haben, wie Landwirte in Indien kurz vor ihrer Ernte drauf sind, weil sie kurz vor der Ernte eben wenig Geld zur Verfügung haben und haben zu dem Zeitpunkt in dem Test zu kognitiven Fähigkeiten schlechter abgeschnitten als danach; also: wenn sie ihre Ernte verkauft und dadurch wieder Geld zur Verfügung hatten. Also gab es offenbar einen Zusammenhang zwischen der Tatsache, wie viel Geld sie gerade hatten und ihren kognitiven Fähigkeiten. Und zwar innerhalb der gleichen Person sozusagen, wo man jetzt nicht sagen kann, was du am Anfang schon angesprochen hast irgendwelche Vorurteile, dass Menschen, die in Armut leben, an sich defizitär sind, sondern daran sieht man, finde ich ganz schön, wie situationsabhängig das ist. Wie wichtig schätzt du Scarcity in dem Forschungsfeld ein? Vielleicht auch für deine Arbeit? Was kannst du zu dem Konzept sagen?

Johannes: Das ist ein interessantes Konzept, das relativ viel Aufmerksamkeit erfahren hat. So gerade am Anfang, als dieses Buch rauskam. Es ist vielleicht der Aufmerksamkeit nicht ganz unverwandt oder zumindest ist Aufmerksamkeit einer der Mechanismen, den Eldar und Sendhil anführen, um diese Effekte zu erklären. Die Aufmerksamkeit ist auf die Knappheit gerichtet und kann deswegen nicht für anderes verwendet werden. Da gab's schon interessante Anfangsergebnisse, also beispielsweise dieses Experiment; wobei, das war ja kein Experiment -diese Beobachtung, von der du gerade gesprochen hast. Das sind schon sehr, sehr große Effekte. Bei der weiß man natürlich nicht so genau, woher das kommt, also vor der Ernte ist vieles anders als nach der Ernte. Also man ernährt sich beispielsweise anders, man ist gestresster und man hat vielleicht auch die Aufmerksamkeit woanders. Das heißt, der Mechanismus da ist jetzt noch nicht so ganz klar. Und die haben dann in Laborexperimenten versucht, das noch näher zu beleuchten, was da jetzt genau anders ist. Und die haben auch ähnliche Ergebnisse hervorgebracht. Also wenn sich beispielsweise Leute auf finanzielle Probleme fokussieren, dann sie schneiden sie auch schlechter ab in IQ-Tests, als wenn sie sich auf weniger schwere finanzielle Probleme konzentrieren. Das sind riesengroße Effekte. Und ich hätte mir gewünscht, dass dann nach diesen ersten Erfolgen viele weitere Studien folgen, die das ein bisschen genauer untersuchen. Und da habe ich relativ wenig noch gesehen dafür. Also ich würde mir wünschen, dass da noch mehr kommt, was diese Effekte wirklich in über alle Zweifel erhebt und genauer beleuchtet, was da tatsächlich läuft. Ich habe versucht, in Kenia ähnliche Sachen zu machen, um andere Variablen noch zu untersuchen. Also IQ ist eine Sache, aber dann Sachen wie Risikopräferenzen und Zeitpräferenzen sind eine andere und ich hab's nicht geschafft, diese Priming-Paradigmen da zum Laufen zu bringen. Also die Leute haben da nicht besonders stark drauf reagiert und ich weiß nicht genau, wie die das in New Jersey hinbekommen haben, dass das so große Effekte erzielt. Aber mir ist es jedenfalls nicht gelungen und ich hätte mir gewünscht, dass das noch viele andere Forscher auch replizieren.

Sarah: Kannst du dir irgendwie erklären, warum das nicht passiert ist? Oder meinst du, es gibt einfach vielleicht viele, die es versucht haben. es auch nicht geschafft haben uns dann gar nicht erst veröffentlicht haben. Oder was meinst du?

Johannes: Ich weiß da jetzt keine Details, aber ich denke schon, dass wenn ein Paper in Science rauskommt, das dann sehr viel Aufmerksamkeit generiert wird und viele sich anfangen für dieses Thema zu interessieren. Und ich hätte mir gewünscht, da noch mehr publizierte Ergebnisse zu sehen.

Sarah: Kann man ja hoffen, dass das noch kommt.

Johannes: Das wäre schön.

Sarah: Bei dem bereits erwähnten Paper 2014 mit Ernst Fehr wolltet ihr ja den Stand der Erkenntnisse zur Psychologie von Menschen, die in Armut leben, abbilden. Was hat sich seitdem getan? Gibt es irgendwas Neues, Spannendes? Gibt's irgendwas aus dem Paper, was du so nicht mehr sagen würdest? Was ist da passiert?

Johannes: Das ist eine interessante Frage. Ich glaube, dass die Hauptbewegung, die ich beobachtet habe und die auch meine Forschung so ein bisschen charakterisiert, wie sie sich seitdem entwickelt hat, ist, dass man so ein bisschen umgeschwenkt hat von diesen kleineren Entscheidungsfindungskonsequenzen von Armut und ihren psychischen Konsequenzen wie Stress und Depression auf die Frage, welche ökonomischen Konsequenzen geistige Gesundheit hat, also wenn man depressiv ist. Was macht das mit einem und hat es ökonomische Konsequenzen, wenn man jemandem hilft, seine Depressionen zu überwinden? Da hat sich ziemlich viel getan in dem Bereich in den letzten Jahren. Das ist ein super spannendes Feld.

Sarah: Das hattet ihr am Ende des Papers auch selbst als Wunsch formuliert. Damit würde ich das Themenfeld auch gerne in Richtung Ende bringen, und zwar diesen ganzen Zusammenhang zwischen Armut, psychischer Gesundheit und ökonomischen Entscheidungen. Da gibt es ja auf jeden Fall Korrelationen, wie du gerade in vielen Punkten ausgeführt hast. Was denkst du denn aktuell, in welchem Bereich man ansetzen sollte, wenn man bessere mentale Gesundheit, weniger Armut und bessere finanzielle Entscheidungen für arme Menschen bewirken will? Und eventuell um diese Differenzierung von vorhin noch reinzubringen, nicht nur bessere finanzielle Entscheidungen, sondern auch eine bessere ökonomische Lage. Und wie?

Johannes: Mein Eindruck ist momentan - und das speist sich teilweise aus einer Studie, die wir vor kurzem abgeschlossen haben, aber auch aus dem, was ich sonst so gesehen habe in der Forschungslandschaft -, dass der Effekt von Armutsverringerung auf alle möglichen Variablen, also sowohl ökonomische wie auch psychologische, sehr robust und stark ist. Dass aber umgekehrt der Effekt von einer Verbesserung der geistigen Gesundheit auf die geistige Gesundheit selbst einerseits, aber auch auf ökonomische Variablen zwar schon vorhanden ist, aber schwächer und nicht so robust über die verschiedenen Kontexte hinweg beobachtbar ist. Also beispielsweise diese Studie, von der ich gerade gesprochen habe, in Kenia. Da haben wir relativ armen Leuten auf dem Land entweder große Geldtransfers gegeben, ungefähr 1100 Dollar pro Familie, oder eine fünfwöchige Psychotherapie. Das klingt so ein bisschen kurz. Aber das ist das, was Standard ist in so Niedrig-Einkommenskontexten. Das ist ein Programm, das wurde von der WHO entwickelt. Also das ist schon ziemlich gut und es hat auch schon Erfolge gezeigt. Und wir wollten also sehen, inwieweit verbessert sich die Situation der Empfänger? Sowohl psychologisch als auch in ökonomischer Hinsicht. Und da haben also die Geldtransfers in jeder Hinsicht gewonnen. Selbst bei den psychologischen Variablen, die ja eigentlich die Variablen sind, die die Psychotherapie eben gerade beeinflussen sollte, waren die Cash Transfers besser. Und dabei waren die Cash Transfers aber gleichzeitig auch billiger. Das heißt, sie haben wirklich auf ganzer Länge die Nase vorne gehabt. Und dann gibt's also andere Studien, die ähnliches belegen insofern, als diese Geldtransfer-Literatur jetzt schon relativ weit vorangeschritten ist und wir schon in ganz vielen Studien gesehen haben, dass Geldtransfers positive ökonomische wie auch psychologische Auswirkungen haben. Während bei Psychotherapie, glaube ich, noch zwei Probleme bestehen. Das erste ist, dass die psychologischen Konsequenzen nur relativ kurzfristig erforscht sind. Da wird oft nach 3, 4 Monaten oder sogar direkt nach dem Ende der Therapie geguckt, ob es den Leuten besser geht und das ist dann zwar oft schon der Fall, aber man weiß nicht, wie lange das anhält. Und zweitens ist die Evidenz für die ökonomischen positiven Konsequenzen noch ziemlich schwach. D.h. momentan würde ich also auf Geldtransfers wetten. Es sei denn, man kann die Psychotherapie viel billiger machen, als es momentan möglich ist. Dann kann es sich vielleicht lohnen.

Sarah: Gibt's beim Thema Psychotherapie nicht auch noch das Problem von kulturellen Fragen, also wie Psychotherapie ausgestaltet sein muss?

Johannes: Ja, das auf jeden Fall. Also es gibt da ziemlich viel kulturelles Stigma in verschiedenen Kulturen. Es wird Depression vielleicht leicht anders verstanden von Leuten an verschiedenen Orten. Gleichzeitig ist es aber so, dass Depression als Krankheit schon überall existiert und auch mit relativ ähnlichen Symptomen, die sich die dann vielleicht zwar anders beschrieben werden und anders interpretiert, aber die sind schon ähnlich und vergleichbar. Und es gibt auch inzwischen Psychotherapie-Ansätze für alle möglichen Kontexte, die denen ziemlich gut angepasst sind. Also ich glaube, da wurde schon relativ viel versucht. Gleichzeitig ist natürlich möglich, dass man einfach nur noch nicht den richtigen Ansatz gefunden hat. Und das ist genau das, was ich meine, wenn ich sage, die Geldtransfers sind einfach sehr robust. Also da ist es egal, ob man die jetzt irgendwie übers Telefon schickt oder in bar oder ob man die mit irgendeinem Spruch vornedran verschickt oder nicht. Das funktioniert einfach in den meisten Kontexten relativ ähnlich. Das ist ziemlich stabil, während Psychotherapie vielleicht einfach ein bisschen bisschen wackliger ist. Also da muss man sich eben über diese Feinheiten Gedanken machen, die du erwähnst. Das heißt, die Geldtransfers, die sind vielleicht ein gröberer Ansatz, aber dadurch vielleicht über die Kontexte hinweg effektiver und robuster.

Sarah: Dann reden wir doch endlich mal über die Geldtransfers. Du hast das ja jetzt schon mehrfach erwähnt: Du hast das in mehreren Studien selbst untersucht, also die Auswirkungen von Geldüberweisungen an arme Menschen primär in Kenia, wenn ich das richtig gesehen habe aus deiner Forschung?

Johannes: Größtenteils in Kenia. Ich habe eine Studie in Afghanistan gemacht, wo wir den Geldtransfer dabei hatten, als Teil der Intervention, aber fast nur in Kenia. USA machen wir auch gerade momentan. Aber sonst Kenia.

Sarah: Das Besondere an den Geldtransfers, über die ich jetzt mit dir sprechen möchte, ist, dass es nicht an irgendeine Bedingung geknüpft ist. Also das sind auf Englisch diese Unconditional Cash Transfers oder UCTs, wo Menschen also komplett selbst entscheiden, was sie mit dem Geld machen. Bei dir war das in den Studien in Kenia so, auf die ich mich jetzt beziehe, dass du GiveDirectly untersucht hast - diese Organisation, die vor allem für ihre direkten Geldtransfers an Menschen in Armut bekannt ist und auch von unabhängigen Expert*innen empfohlen wird. Kannst du erst mal erzählen, wie das abgelaufen ist - deine Forschung zu dem Thema?

Johannes: Ich kannte die Gründer von GiveDirectly aus Boston. Die haben das gegründet, als sie selbst Doktoranden waren und ich habe damals angefangen, mich für Stress zu interessieren. Und das schien ein guter Ansatz zu sein, um die psychologischen Konsequenzen von Armutsverringerung zu untersuchen. Und die haben dann erste Gelder eingeworben, um Transfers zu machen und ich habe währenddessen Forschungsgelder eingeworben, um das zu untersuchen. Und so haben wir uns dann entschlossen, den ersten randomisierten Feldversuch dazu zu machen. Das war 2011, glaube ich. Und dann haben wir also eine Gegend in Kenia rausgesucht, die relativ arm war. Und da Häuser identifiziert bzw. GiveDirectly hat da dann Häuser identifiziert, die dem Armutskriterium entsprachen, nämlich dass die ein Grasdach haben. Das korreliert relativ gut mit Einkommen in dem Kontext dort und die bekamen dann Geldtransfers. Also es waren zunächst einmal 500 Dollar nominal, was PPP ein bisschen mehr als das hab ich jetzt nicht mehr genau im Kopf, also Kaufkraft angeglichen ist das -

Sarah: Ich meine, im Schnitt stand in deiner Studie, dass es 709 PPP sind.

Johannes Genau, im Schnitt sind es 709 Dollar Kaufkraft angeglichen. Aber da sind die großen Transfers mit eingerechnet. Also es waren zunächst nur 500 Dollar und dann kam aber danach eine Gruppe dazu, die 1 000 Dollar bekommen hat. Und dann haben wir also zusätzlich noch randomisiert, ob das Geld an den Mann oder die Frau im Haushalt geschickt wurde und ob's als eine große Summe kam oder in mehreren kleinen Teilsummen. Und dann haben wir gemessen, was passiert. Also ein Jahr später ungefähr sind wir dann gekommen mit dem großen Fragebogen und haben geguckt, bis den Leuten geht. Und das war ja so meine erste Erfahrung mit Geldtransfers.

Sarah: Wie kann man sich denn diese Geldsumme vorstellen in einem armen Haushalt in Kenia mit Grasdach? Wie viel Geld war das für die Menschen, was sie da bekommen haben?

Johannes: Also die großen Transfers - ich glaube, man kann sich so ungefähr zwei Jahreseinkommen vorstellen für den durchschnittlichen Transfer. Also die Leute verdienen so ungefähr einen Dollar am Tag, das heißt 700 Dollar sind so circa zwei Jahreseinkommen für eine Person und ein Haushalt besteht aus fünf Mitgliedern. Das heißt, für den Haushalt ist es dann also etwas weniger. Aber relativ große Summen für dortige Verhältnisse.

Sarah: Und sie liegen damit, um das einmal zu sagen, ja deutlich unter dem Kriterium für extreme Armut. Das liegt doch bei etwa zwei Dollar am Tag.

Johannes Genau. Ich glaube, 1,90 ist momentan die Weltbank-Grenze. Ja, das ist natürlich keine magische Zahl. Also es geht den Leuten, die kurz da drüber liegen auch noch sehr schlecht. Aber ja, genau, die sind also wirklich sehr sehr arm, auch im Vergleich zu dieser Grenze.

Sarah: Was habt ihr rausgefunden?

Johannes: Es gab da damals noch relativ viele Vorurteile, dass Geldtransfers die Leute vom Arbeiten abhalten würde und dass die Leute anfangen würden zu trinken und zu rauchen, dass es zu Konflikt führen würde und das ist alles nicht passiert. Sondern die Leute, die haben ziemlich schlau dieses Geld investiert größtenteils und hatten dadurch höhere Einkommen. Also die haben das beispielsweise in Kühe gesteckt und die Kühe, die geben dann Milch und die Milch kann man verkaufen und dadurch hat man höheres Einkommen. Oder sie haben Inventar gekauft für einen kleinen Kiosk, den sie betreiben. Und dadurch hatten sie ein höheres Einkommen. Und das wiederum führte dann zu einem Zuwachs an beispielsweise Nahrungssicherheit, also die litten weniger Hunger als vorher, was vorher ein ziemlich großes Problem war. Also danach immer noch, aber ein bisschen weniger. Der Alkoholkonsum nahm eben wie gesagt nicht zu. Sie haben auch nicht weniger gearbeitet und es gab auch nicht mehr Konflikte, sondern weniger. Also häusliche Gewalt nahm ziemlich stark ab. Männer haben ihre Frauen weniger geschlagen und weniger vergewaltigt. Also es hat relativ gut funktioniert. Und vielleicht davon ausgehend erklärt sich dann, warum auch das psychologische Wohlbefinden sehr stark angestiegen ist. Die waren viel glücklicher, nachdem sie das Geld bekommen haben und hatten weniger Depressionen.

Sarah: Wie erklärst du dir das? Also hinter den bedingungslosen Geldtransfers steht ja meistens die Annahme, dass arme Menschen selbst am besten wissen, was sie benötigen. Im Gegensatz zu vielen anderen Maßnahmen von Hilfsorganisationen, wo sich irgendjemand Gedanken darüber macht und dann z.B. Trinkbrunnen kauft oder Bildung fördert oder so. Was glaubst du, warum ausgerechnet einfach Menschen Geld geben so gut funktioniert?

Johannes: Ich möchte da ein bisschen vorsichtig sein. Ich weiß nicht, ob das besser funktioniert als die anderen Sachen, von denen du jetzt gesprochen hast. Diese Experimente, die fehlen größtenteils noch. Also es gibt ein paar erste Bestrebungen, aber es ist jetzt nicht so, dass Geldtransfers notwendigerweise das Beste sind, was wir haben. Das nur vielleicht voraus.

Warum die funktionieren? Ich glaube schon, dass das was damit zu tun hat, dass die Leute selber schlau sind und wissen, was sie brauchen, und das hat sich insofern bewahrheitet, als diese Investitionen, die sie getätigt haben, ja offenbar die richtigen waren, oder zumindest nicht ganz falsch waren. Die haben ja tatsächlich Erträge abgeworfen, die sich dann eben niederschlagen in gesteigertem Konsum, erhöhter Nahrungssicherheit und so weiter. Insofern ist so die Grundhypothese, die hinter diesen Geldtransfers steht, vielleicht tatsächlich die richtige. Leute sind nicht dumm und die wissen, was ihnen hilft. Und wenn man ihnen das Geld dazu gibt, dann können sie sich das besorgen und dann geht's ihnen besser. Das ist eigentlich relativ simpel und plausibel.

Sarah: Du hast ja vorhin auch schon öfter erwähnt, dass - also du bist jetzt längst nicht der einzige, der das Thema bedingungslose Geldtransfers untersucht hast. Wie sicher können wir uns sein, dass die was bringen, also wie groß ist da quasi schon bislang die Evidenz der Studien?

Johannes: Sehr groß. Das ist in den letzten Jahren wirklich explodiert, die Forschung. Wir waren damals auch nicht die ersten, die das untersucht hatten. Also das ist sehr gut untersucht inzwischen. Was die bringen, in welchem Kontext die was bringen. Also es gibt da immer noch Lücken in der Forschung, aber dass das positiv ist, das steht eigentlich außer Frage. Und dass es sich beispielsweise nicht in erhöhtem Alkoholkonsum niederschlägt, das ist klipp und klar inzwischen. Dass es nicht die Leute zu Faulpelzen macht, das ist auch völlig außer Zweifel. Das wissen wir inzwischen ziemlich genau. Ich glaube, die Fragen, die noch offen sind: Ist es das Beste, was man machen könnte mit seinem Geld? Also gibt's vielleicht andere Sachen, die noch effektiver sind. Da braucht man eben dann Vergleichsstudien, die Geldtransfers mit was anderem in Vergleich setzen. Und da gibt's noch ganz wenig davon. Wie beispielsweise die Psychotherapie. Und da haben halt jetzt die Geldtransfers haushoch gewonnen. Aber das muss nicht immer so bleiben. Also es kann sein, dass es noch andere Sachen gibt, die viel, viel besser funktionieren. Womöglich für spezifische Probleme sowieso. Also wenn jetzt jemanden ganz spezifisches gesundheitliches Problem hat, beispielsweise kann ich mir vorstellen, dass es natürlich besser ist, zunächst einmal das anzugehen, als dem einfach ein Batzen Geld zu geben. Aber auch das weiß man noch nicht, bevor man es ausprobiert hat. Es kann sein, dass es mit dem Geld dann nicht nur dieses gesundheitliche Problem löst, sondern auch noch drei andere und dass es dann noch besser geht. Das heißt, das muss man einfach alles noch rausfinden. Und: wie lange die halten, das ist auch noch nicht ganz klar bzw. die Evidenz, die da momentan reinkommt, ist eher ein bisschen ernüchternd. Also den Leuten geht's echt wahnsinnig viel besser für die ersten paar Jahre und dann werden die Effekte schon kleiner. Beobachten wir inzwischen. Wobei man da auch aufpassen muss, dass man nicht unfair ist, denn es gibt wenige Interventionen, die tatsächlich über lange Zeiträume untersucht sind. Nur darf man jetzt auch keinen anderen Maßstab anlegen an Geldtransfers, als an andere Interventionen.

Sarah: Kurze Zwischenfrage: Du hast ja gerade schon erwähnt, dass es vielleicht Dinge geben könnte, die viel besser funktionieren als Geldtransfers. Siehst du da irgendwelche vielversprechenden Kandidaten gerade?

Johannes: Also ich glaube, es gibt da zwei Sachen zu erwähnen: Das eine ist, es gibt so Graduierungsprogramme, in denen die Leute ein Gut bekommen, also ein sogenanntes Asset, wie beispielsweise eine Kuh oder ein Fahrrad oder eine Nähmaschine. Das dürfen die sich aus einer Liste aussuchen, mit dem sie dann ein kleines Unternehmen aufbauen können und ein bisschen Geld und ein bisschen Training. Also quasi so eine Bedienungsanleitung für die Kuh. Und damit, das ist der Gedanke, kann man dann also sein Einkommen erhöhen. Brac ist die NGO, die das in Bangladesch zum ersten Mal angewendet hat und das funktioniert auch supergut. Und welches von den beiden Programmen jetzt die größten Auswirkungen hat, das ist noch nicht so ganz klar. Aber das ist zumindest sehr vielversprechend. Das ist das eine und das andere, wo ich momentan mein Interesse darauf gerichtet habe, ist Migration und Bildung. Also Bildung selbst hat jetzt nicht so wahnsinnig hohe Erträge. Also da sind die Erträge vielleicht zu 10 Prozent im Jahr oder so, während bei den Geldtransfers ist es eher 30 Prozent.

Sarah: Kannst du kurz sagen, was du mit Erträge meinst?

Johannes: Das, was man an erhöhtem Einkommen zurückbekommt, wenn man jetzt in diesem Beispiel ein Jahr Bildung investiert. Versus diese Geldtransfers. Also in unseren Händen haben die so 30 Prozent erhöhtes Einkommen abgeworfen nach einem Jahr für die 700 Dollar oder so, die die Leute bekommen haben am. Momentan ist meine Hoffnung, dass man, wenn man Bildung kombiniert mit Migration, dass man dann sehr hohe Erträge erzielen kann. Also ich interessiere mich momentan sehr dafür, wie man ugandischen High School Absolventen ein Studium in Deutschland ermöglichen kann. Und da verspreche ich mir Erträge, die noch viel höher sind, weil eben Migration so wahnsinnig hohe Effekte auf Einkommen hat. Die durchschnittlichen Unterschiede im Einkommen eines ugandischen High-School Abgängers und eines deutschen Bachelorabsolventen sie sind bewegen sich eher um den Faktor 30 oder so. Also 3000 Prozent, nicht 30! Das ist momentan meine Hoffnung, dass man das nutzbar machen kann für Armutsverringerung.

Sarah Spannend. Darauf wollte ich später auch noch mal kurz zu sprechen. Lass uns nochmal mal kurz zurückgehen zu dem Geld, den Geldtransfers. Du sagst und ich habe auch schon ziemlich viel darüber gelesen, dass das eine wahnsinnig robuste Geschichte ist, die auch in verschiedenen Kontexten untersucht wurde. Jetzt nicht nur in Dörfern in einer bestimmten Region von Kenia, sondern auch in anderen Weltregionen. Und unabhängig von den Studien, die du jetzt durchgeführt hast, wozu du eben gesagt hat, was Menschen mit dem Geld machen - kannst du es nochmal ein bisschen abstrahieren und sagen, was über mehrere Studien hinweg und über mehrere Konnte xte hinweg Menschen, die in Armut leben, machen, wenn sie plötzlich und ohne irgendwelche Bedingungen Geld bekommen? Oder lässt sich das gar nicht so verallgemeinern?

Johannes: Für manche Variablen lässt es sich verallgemeinern. Also ich glaube, der gemeinsame Nenner ist, dass die einen erhöhten Konsum haben. Und das ist die Art und Weise, wie man in Entwicklungsökonomie oft das Einkommen misst. Dadurch, dass das Einkommen relativ unregelmäßig ist, misst man stattdessen den Konsum. Das ist relativ klar, dass das in allen Kontexten der Fall ist. Das zweite ist, dass der Konsum sich eben nicht erhöht für sogenannte Temptation Goods, also Alkohol und Tabak beispielsweise. Das ist auch sehr robust und über viele Studien hinweg konstant. Das dritte ist, dass es den Leuten psychologisch sehr viel besser geht. Also auch in vielen Studien, in vielen Ländern hat sich das immer wieder bewahrheitet: Wenn die Leute diese Geldtransfers bekommen, dann sind sie hinterher glücklicher, weniger gestresst, weniger depressiv. Ich glaube, es gibt da vielleicht noch andere Regelmäßigkeiten, aber das sind die, die mir ins Auge stechen. Das ist eigentlich überall der Fall. Und was ich vielleicht ein bisschen unterscheidet, sind jetzt die genauen Mechanismen, wie man dazu kommt. Also es ist jetzt nicht überall so, dass eine Kuh die beste Investition ist in manchen Ländern. Da kauft man sich eben eine Ziege oder vielleicht Hühner. Das unterscheidet sich schon ein bisschen. Aber die großen Auswirkungen auf ökonomisches Wohlergehen. Die sind eigentlich in allen Ländern sehr ähnlich.

Sarah: Und lässt sich auch sagen, wovon das in der Regel so abhängt? Zum Beispiel die Höhe des Geldbetrags oder wenn Menschen alles auf einmal bekommen oder Stück für Stück. Damit hättest du dich ja auch beschäftigt.

Johannes: Ja, da gibt's leider noch ganz wenig dazu. Es gibt kaum Studien beispielsweise, die den Geldbetrag experimentell variieren und dann gucken, ob höhere Geldbeträge pro Dollar effektiver sind als kleinere Geldbeträge. Wir haben das in Kenia gemacht und haben da kaum Unterschiede gefunden. Also den Leuten geht's natürlich schon besser, wenn sie mehr Geld bekommen. Aber es ist nicht so, dass die entweder weniger effektiv sind oder noch effektiver als die kleineren Transfers. Wenn ich wetten müsste, würde ich sagen bisschen weniger effektiv vielleicht. Das wäre dann ein Argument, um mehr Leuten weniger Geld zu geben, anstatt wenigen Leuten viel Geld. Aber dazu gibt's noch ganz, ganz wenig. Und selbst in unserer Studie waren das relativ kleine Stichprobengrößen. Da wissen wir noch kaum was dazu. Ebenso das mit der Frequenz. Also ob das als ein großer Batzen ausbezahlt werden sollte oder in vielen kleinen Teilbeträgen, ist auch noch kaum erforscht. Also bei uns war das so, dass die kleinen Teil Beträge oft zur Finanzierung von Konsum verwendet wurden. Werden die größeren Beträge eher zum Kauf von großen Gütern wie beispielsweise Kühen hergenommen wurden, die dann vielleicht ein bisschen nachhaltiger waren. Das ist so der eine Anhaltspunkt, den ich kenne. Ansonsten ist da noch relativ wenig drüber bekannt. Soweit ich das weiß.

Sarah: Als andere Lücke hattest du ja vorhin auch schon erwähnt, dass noch nicht klar ist, inwieweit die Geldtransfers langfristig helfen können. Also wirklich super langfristig auf mehrere Jahre hinweg. Wie ist bisher deine Intuition zu dem Thema: Könnten derartige Geldtransfers vielleicht tatsächlich dazu führen, wenn man das im großen Stil anwendet, dass das auch auf einem staatlichen Level hilfreich wäre, um tatsächlich ganze Regionen oder Staaten aus der Armut zu holen. Oder ist das ein bisschen größenwahnsinnig?

Johannes: Nein, ich denke, dass es überhaupt nicht größenwahnsinnig und es findet teilweise auch schon statt. Viele Regierungen wenden inzwischen Geldtransfers an, um Armut zu verringern. In lateinamerikanischen Ländern ist es schon lange so, da hatten die dann oft Bedingungen. Aber das ist nicht unähnlich insofern, als man oft mit dem Geld dann auch machen kann, was man möchte. Es müssen zwar die Kinder in der Schule und geimpft sein, aber das Geld kriegt man dann und kann trotzdem damit mitmachen, was man will. In vielen Ländern in Afrika südlich der Sahara wenden Regierungen das an. Da ist es dann oft ohne Bedingungen. Und gerade wie gesagt, in humanitären Kontexten werden inzwischen oft Geldtransfers angewendet, also beispielsweise bei der Flüchtlingskrise in Syrien hat UNHCR Geldtransfers herausgegeben. Das ist auf jeden Fall ein Mittel, dass Regierungen inzwischen einsetzen und damit Armut verringern. Und ich denke, das ist auch erfolgreich. Ich glaube, man muss sich halt vielleicht nicht von dem Gedanken lösen, dass wenn man jemandem einmal ein Geldtransfer gibt, dass das dann ein für allemal die Armut dieser Personen löst, sondern das lindert die halt vielleicht ein paar Jahre und dann muss man halt nochmal ran. Und es gibt wenig Interventionen, zumindest was ich weiß, die die Leute quasi in die Umlaufbahn schießen. Also wo dann wirklich sehr große und langfristige Effekte zu beobachten wären. Da kenn ich kenn ich keine andere Intervention, die das leistet. Insofern darf man da die Geldtransfers auch nicht irgendwie an zu hohe Standards halten.

Sarah: Ich habe das Buch „Poor Economics“ vor ein paar Jahren gelesen, von den beiden Wirtschaftsnobelpreisträgern Esther Duflo und Abhijit Banerjee. Das war das Buch, was mich für das ganze Themengebiet initial begeistert hat. Vor allem weil die einen Blick auf Armut und vor allem extreme Armut vermittelt haben, den ich einfach total humbling, also hilfreich für meine Sicht darauf fand. Dazu ein Zitat aus dem Buch:

„Aber man macht es sich zu leicht, viel zu leicht, wenn man vom heimischen Sofa aus, mit den Bequemlichkeiten einer funktionierende Wasser- und Gesundheitsversorgung im Rücken, über das Übel der Entmündigung und die Notwendigkeit, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, philosophiert. Profitieren wir im reichen Westen nicht ständig von den Vorteilen einer Bevormundung, die so allgegenwärtig ist, dass wir sie kaum bemerken? Sie sorgt nicht nur dafür, dass wir besser auf uns achtgeben, als wir es täten, wenn wir jede einzelne Entscheidung selbst treffen müssten, sie befreit uns auch davon, ständig über diese Dinge nachdenken zu müssen; dadurch erhalten wir geistigen Freiraum, in dem wir uns auf andere Aspekte des Lebens konzentrieren können.“

Du hast am Anfang des Gesprächs schon kurz vorweggeschickt, dass du gegen dieses defizitäre Bild menschlich gesehen bist mit Blick auf Armut. Ich würde da gerne nochmal kurz drauf eingehen und fragen: Für was für ein Verständnis von Armut und Armutsbekämpfung plädierst du denn? Wie blickst du darauf, was hältst du für wichtig, wenn man sich über das Thema Gedanken macht?

 

Johannes: Das ist eine sehr umfassende Frage. Also grundsätzlich stimme ich dem was Esther und Abhijit da schreiben am Ende… Das ist das Ende des Gesundheitskapitels, das ich witzigerweise gerade gestern erst wieder gelesen hat, weil meine Vorlesung am Donnerstag da drüber geht. Ich stimme dem auf jeden Fall zu, insofern, als da, wie du das schon sagst, so eine gewisse Bescheidenheit drinsteckt. Wir kriegen alle nicht alles auf die Reihe. Und wenn wir uns über Gesundheit Gedanken machen müssen, wie das Beispiel in dem Kapitel ist, dann haben wir oft nicht alle Informationen. Oder wir haben vielleicht andere Probleme, die uns momentan dringender erscheinen und geben den dann den Vorrang. Und langfristig führt das zur großen negativen Konsequenzen. Das ist ein sehr bescheidener und realistischer Ansatz, den ich auf jeden Fall richtig finde. Und das, was ich vorhin gemeint habe, als ich gesagt habe, ich bin gegen dieses defizitäre Verständnis von Armut, ist, dass ich keinen Grund sehe zu glauben, dass arme Leute irgendwie überproportional diesen Problemen anheimfallen, sondern die leben einfach in einem Kontext, der das ermöglicht, dass das passiert. Also wenn während in reicheren Ländern man viel gemacht kriegt, also beispielsweise ist das Trinkwasser schon vorbehandelt und hat Chlor drin, muss man das in armen Ländern oft noch selber machen und das sind diese kontextuellen Faktoren, die dazu führen, dass man dann andere Gesundheitsergebnisse hat als Leute in ärmeren Ländern. Den Ansatz finde ich einleuchtend und der ist dann gleichzeitig auch sehr ermutigend, weil er direkt aufzeigt, was Mittel und Wege sind, das besser zu machen, also indem man die Infrastruktur verbessert, in der diese Gesundheitsentscheidungen stattfinden. Und bei Infrastruktur meine ich jetzt kleine Sachen wie die Verfügbarkeit und die Zugänglichkeit von Informationen und Möglichkeiten, die richtigen Handlungen zu treffen. Dann kann vieles besser laufen.

Sarah: Vielleicht dazu passend wollte ich unbedingt noch mit dir über den ethischen Aspekt von deiner Arbeit sprechen. Weil wir merken ja schon: Das kann ein schwieriges Thema sein, bei dem man sich und seine eigene Lebensrealität oft zurücknehmen muss. Und da gibt es ja auch noch die Schwierigkeit oder zumindest mehrere Punkte, die bei randomisierten Studien dem einen oder anderen ja intuitiv unangenehm aufstoßen könnten. Also allein schon die Tatsache, dass es irgendwie Experimente mit Menschen sind. Wenn man sich dann so vorstellt, dass arme Menschen in schwierigen Lebensverhältnissen die Möglichkeit auf plötzlich total viel Geld haben und dann in einer Kontrollgruppe landen, wo potenziell ihre Nachbarn das Geld bekommen und sie trotzdem eure womöglich komplexen Fragebogen ausfüllen müssen. Klingt für mich schon nach einem möglichen ethischen Problem und vor allem wahnsinniger potenzieller Frustration für Leute. Wie geht man damit um?

Johannes: Ja, das ist ein super wichtiges Thema, dem man wirklich viel Aufmerksamkeit schenken muss. Zunächst einmal ist natürlich zu sagen, dass alle diese Studien durch nicht eine, sondern mehrere Ethikkommissionen müssen, bevor sie durchgeführt werden müssen. Und zwar nicht zuletzt die Ethikkommissionen vor Ort. Ich denke, das ist super wichtig, dass man sich dieser Prüfung aussetzt. Also das muss man natürlich. Aber man sollte das auch, damit die Forschung auch vor Ort abgesegnet ist und nicht nur nach vielleicht jetzt deutschen oder schwedischen oder amerikanischen Standards ethisch ist, sondern eben auch nach kenianischen oder afghanischen oder wo man eben die Forschung durchführt, das finde ich super wichtig. Und dann ist darüberhinausgehend natürlich wichtig, selbst wenn das jetzt von der Ethikkommissionen absegnet ist, dass man sich selber als Forscher Gedanken macht: Was darf man denn machen und was ist Leuten zuzumuten? Und ich glaube, da ist es wichtig, dass man auf die Würde und Entscheidungsfreiheit der Leute abstellt und dafür sorgt, dass die Freiheit besteht, da mitzumachen oder eben nicht mitzumachen. Und wir bemühen uns natürlich einerseits um ein sehr gutes Verhältnis mit den Teilnehmern. Die werden natürlich bezahlt für die Zeit, die sie in das Ausfüllen des Fragebogens stecken, weil ihnen dadurch ihre Arbeitszeit verloren geht. Und Zeit ist Geld, gerade in solchen Kontexten und dafür werden sie natürlich kompensiert. Aber dann ist auch wichtig, dass einfach ein respektvoller Umgang miteinander hergestellt wird und ein respektvolles Verhältnis besteht. Darauf achten wir sehr, und ein Aspekt davon ist, dass wir versuchen, soweit wie möglich, die Interventionen zu trennen von der Forschung. Also Interventionen finden ja ständig überall statt. Auch ohne Forschung. Also NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen und Regierungen führen ständig Interventionen durch und die meisten werden nicht evaluiert mit Forschungsbeteiligung. Und bei allen diesen Interventionen gibt's insofern eine Kontrollgruppe, als halt in den meisten Fällen die Mittel begrenzt sind und man nicht allen Leuten helfen kann. Was wir eben jetzt zusätzlich machen, ist, dass wir sagen: Wenn ihr ohnehin schon die Intervention macht und wenn ohnehin schon nicht alle davon profitieren können, dann sollten wir zumindest noch rausfinden, was denn damit eigentlich bewirkt wird. Und diese Trennung der Interventionen von der Forschung macht es einerseits möglich, zu sehen, dass die Forschung ethisch viel unproblematischer ist. Weil es da eigentlich nur um den Fragebogen geht und die Leute werden kompensiert für die Zeit, die sie darauf verwenden, den Fragebogen auszufüllen. Und andererseits, um zu sehen, dass es vielleicht sogar unethisch ist, wenn man diese Forschung eben nicht macht. Also es gibt so viele Interventionen, die ständig eingesetzt werden in der ganzen Welt, von denen wir überhaupt nicht wissen, ob sie überhaupt sinnvoll sind, dass ich es ethisch problematisch finde, da Geld rein zu stecken. Ich finde, die Beweislast liegt eher auf der Seite derjenigen, die sagen, wir sollten bestimmte Interventionen unternehmen, ohne eigentlich zu wissen, was sie damit anrichten.

Und vielleicht noch zu dem Problem mit den Nachbarn. Da glaube ich, muss man schon sehr aufpassen. Da gibt's tatsächlich Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass wenn der Nachbar Geld bekommt, dass es dann für die Nachbarn unangenehm ist. Andererseits haben wir auch Daten, die zeigen, dass wenn der Nachbar Geld bekommt, dass es dann im ganzen Dorf bessergeht, weil nämlich das Geld in der Tasche des Nachbarn dann Geld in der Tasche von jemand anderem wird. Und so pflanzt sich das fort. Und da haben wir also in verschiedenen Studien unterschiedliche Ergebnisse gefunden. Also teilweise geht es den Nachbarn tatsächlich besser, wenn der Nachbar Geld bekommt, weil dann das ganze Dorf quasi ein bisschen nach oben geschoben wird. Das heißt, dass ist einerseits sehr problematisch womöglich. Andererseits noch relativ unbekannt, was da tatsächlich passiert. Also da müssen wir einfach noch mehr lernen, was man da machen dürfen sollte und was nicht.

Sarah: Eine Möglichkeit ist ja, zumindest der Kontrollgruppe, die eigentlich im Rahmen des Experiments kein Geld bekommen hat, später noch Geld zu geben. Das passiert ja auch ab und an. Was kannst du denn zu den Vor- und Nachteilen sagen?

Johannes: Ich glaube, das ist vor allem in den Kontexten gut, wo man zeigen kann, dass es der Kontrollgruppe tatsächlich schlechter geht. Also das ist schon wichtig, denke ich, dass man, wenn man merkt, dass es irgendwie negative Konsequenzen gibt, versucht es irgendwie richtig zu stellen. Das wird nicht immer funktionieren, weil oft die Experimente so angelegt sind, dass man eben das Geld, das man hat, für die experimentelle Gruppe ausgibt und dann ist es weg. Das ist der Vorteil. Der Nachteil ist, wenn man ein Experiment von vornherein so auslegt, dann hat man de facto nur ein halb so großes Experiment, weil man eben quasi die Hälfte der Interventionskosten sparen muss, um hinterher der Kontrollgruppe die zuteilwerden zu lassen. Und das ist auch wieder ein ethisches Problem, denn dann hat man ein Experiment mit einer kleinen Stichprobe und da kann man dann viel weniger belastbare Aussagen treffen. Und damit schadet man dann womöglich nicht nur der einzelnen Studie, sondern dem ganzen Ansatz. Also wenn man jetzt eine super effektive Intervention untersucht. Aber man kann die Effekte nicht beobachten, die die hat, weil man eine Stichprobe hat, die zu klein ist, dann ist damit womöglich viel größerer Schaden angerichtet, als wenn man jetzt nur der Kontrollgruppe nicht hilft. Also ist es nicht ganz einfach, da die richtige Entscheidung zu treffen. Und dann ist vielleicht auch noch dazu zu sagen, dass es in gewisser Hinsicht, solang wir in der Welt mit begrenzten Mitteln leben, natürlich immer eine Kontrollgruppe gibt. Es gibt immer Leute, die eigentlich die Intervention verdient hätten, aber diese nicht bekommen. Und das Problem haben alle Regierungen, alle Wohltätigkeitsorganisationen, die können nie allen Leuten helfen, denen sie eigentlich helfen wollen würden. Und insofern ist das jetzt kein Problem der Forschung, sondern ein grundsätzliches Problem von Interventionen in den Kontexten, wo es viel Armut gibt. Das Problem, das vielleicht bei der Forschung entsteht, ist, dass man halt dann weiß, was von Schaden entstanden ist. Und sonst weiß man das oft nicht. Also da ist dann Ignoranz womöglich ein Segen. Aber das ist eigentlich keine Situation, die wir anstreben sollten.

Sarah: Ich wollt dich noch auf deine Gründung des Busara Center for Behavioral Economics ansprechen, und zwar in dem Kontext, inwieweit Forschung in deinem Bereich eigentlich so die Weltrealität abbildet. Also du hast vor ein paar Jahren das Center gegründet, um - wenn ich das richtig verstanden habe - mehr Möglichkeiten zu bieten, diverse Lebensrealitäten von Proband*innen einzufangen. Und zwar vor allem denjenigen, die nicht aus westlichen, gebildeten, industrialisierten, reichen und demokratischen Staaten kommen. Also du und ich zum Beispiel. Was kannst du dazu erzählen?

Johannes: Ja, das war der Impetus für die Gründung. Es gibt ziemlich viel Verhaltensforschung, sowohl in Psychologie als auch in Ökonomie und anderen Sozialwissenschaften, die uns sehr viel gelehrt hat darüber, was Entscheidungsfindungen ausmacht und wie man Interventionen optimieren kann, damit sie den Leuten möglichst gut helfen. Aber das meiste dieser Evidenz ist eben gewonnen in Stichproben mit westlichen, oft weißen Probandinnen und Probanden häufig in den USA, manchmal in Europa. Also ich würde sagen, 90 Prozent oder so kommen aus solchen Stichproben. Und ich fand es also zunächst einmal aus prinzipieller Sicht wichtig, das ein bisschen zu ändern und dann auch aus wissenschaftlicher Sicht, eben weil man womöglich Sachen verpasst, die in Ländern wie Kenia das Denken der Leute beeinflussen, die man jetzt in Deutschland oder den USA nicht beobachten würde. Und das hat dann den Ausschlag gegeben zur Gründung von Busara.

Sarah: Und dort bietet ihr quasi eine Infrastruktur für Forschende aus der Region. Hab ich das richtig verstanden?

Johannes: Für Forschende von überall her an. Teilweise sind die aus der Region, teilweise sind die von Universitäten aus anderen Ländern. Genau: Das ist eine Infrastruktur, mit der Forschende Verhalten und Präferenzen im lokalen Kontext untersuchen können, teilweise um bestehende Ergebnisse besser zu verstehen, wenn man beispielsweise Ergebnisse hat aus einer Feldstudie, dass man näher beleuchten wird, dann kann man ein Laborexperiment machen, um das besser zu verstehen. Teilweise, um Feldexperimente erst zu motivieren. Also im Kontext von Psychotherapie könnte man sich beispielsweise vorstellen, dass man erstmal ein paar Sachen im kleinen Rahmen ausprobiert, bevor man sie an einem großen Feldexperiment überprüft. Genau das sind so die Gedanken, die dahinterstehen.

Sarah: Die Gründung ist ja jetzt schon ein paar Jahre her. Wie groß ist das Problem noch? Hat sich seitdem was geändert? Ist es besser geworden - vielleicht auch durch dich?

Johannes: Ich denke schon. Es ist besser geworden. Ich weiß nicht, wie viel wir jetzt dazu beigetragen haben. Vielleicht schon ein bisschen. Aber es besteht immer noch weiter das Problem. Also an diesen 90% hat sich jetzt nicht so wahnsinnig viel geändert. Ich glaube, das, was tatsächlich besser geworden ist, ist, dass zum einen jetzt Forschende wissen, dass es diese Infrastruktur gibt und dass man sie benutzen kann, um bestehendes Wissen zu vertiefen oder neue Forschung zu motivieren. Und zum anderen vielleicht ein bisschen breiter gedacht, dass dieser Labor experimentelle Ansatz - also das Labor sieht ja so aus, dass man an Computern in einem relativ kontrollierten Setup Präferenzen und Entscheidungsfindung untersuchen kann. Und das ist in der Entwicklungsökonomie noch relativ selten und wird jetzt immer häufiger. Und da freue ich mich sehr drüber. Dass wir da so ein bisschen anschieben helfen konnten.

Sarah: Das kann ja dann auch dazu führen, dass das erste Thema, das wir besprochen haben, nämlich die Psychologie von Menschen, die in Armut leben, noch ein bisschen besser verstanden wird.

Johannes: Genau das. Das hoffe ich sehr. Und viele der Experimente, die jetzt in Busara stattfinden, lassen mich hoffen, dass wir da auf einem guten Weg sind.

Sarah: In der Forschung ist es ja auch so, dass gerne eindeutige Ergebnisse veröffentlicht werden und das es ein Problem gibt, negative Ergebnisse zu veröffentlichen oder eben sehr transparent über Schwierigkeiten bei der eigenen Forschung in Veröffentlichungen in angesehenen Journals zu schreiben. Wie war das denn bei dir die letzten Jahre? Bei welcher Forschungsfrage musstest du deine Vorannahme oder Meinung total ändern? Weil die Daten es einfach nicht gestützt haben? Wo musstest du irgendwo nochmal total zurückrudern oder was hat das sich einfach so stark geändert?

Johannes: Ich würde sagen, diese Studie, die ich erwähnt habe, in der wir die Wirksamkeit von Psychotherapie in Kenia untersucht haben. Da hatten wir eigentlich allen Grund zu glauben, dass das eine Erfolgsgeschichte wird für die Psychotherapie, weil die von der WHO entwickelt wurde, die war schon in Kenia überprüft worden, in einem ziemlich guten, randomisierten Feldversuch. Da hat eigentlich alles darauf hingedeutet, dass die gut funktioniert. Und dann hat es einfach nicht funktioniert in unseren Händen. Und obwohl wir das genauso gemacht hatten wie in der anderen Studie: Es hat sogar die gleiche Organisation durchgeführt, die haben die gleichen Trainingsprotokolle verwendet usw. Also es war wirklich alles richtig eigentlich. Und das hat einfach nicht geklappt. Und vermutlich deswegen, weil wir sie in relativ genereller Absicht verwendet haben, diese Psychotherapie. Also wir haben einfach Leuten gesagt: Euch geht's nicht so gut. Hier sind fünf Psychotherapiesessions, das wäre vielleicht sinnvoll, während in der anderen Studie wurde die sehr gezielt eingesetzt, um häusliche Gewalt zu bekämpfen. Das ist jetzt keine besonders leichte Erklärung. Es ist ein sehr nuancierter Unterschied, der da ist, denn wir haben also selbst bei Leuten, die tatsächlich häusliche Gewalt erlitten hatten, keinen Unterschied festgestellt in unserer Studie. Das heißt, es muss also irgendwas damit zu tun gehabt haben, in welchem Rahmen diese Interventionen eingesetzt wurde. Was dann die Effekte beeinflusst hat. Das ist so die größte Überraschung gewesen für mich in den letzten Jahren. Und es war eine gewisse Enttäuschung, weil ich eigentlich dachte, Psychotherapie kann super erfolgreich sein. Also wenn die Konsequenzen von Depression für ökonomische und psychologische Variablen so groß sind, wie ich das glaube. Und Psychotherapie ist relativ billig und ja, gemeinhin wird das als relativ effektiv angesehen, dann müsste das doch eigentlich ein super Rezept sein, psychologisches und wirtschaftliches Wohlergehen anzuheben und dass das nicht stattgefunden hat, das war eine große Überraschung und natürlich auch in gewisser Weise eine Enttäuschung.

Sarah: Und wie gehst du damit um? Was jetzt also sowohl deinen eigenen Umgang mit dem Thema angeht, als auch Veröffentlichungen und Forschung in die Richtung. Also hast du das veröffentlicht?

Johannes: Wir werden das auf jeden Fall veröffentlichen. Ich veröffentliche alle Studien, die ich mache. Zumindest zunächst als sogenannte Arbeitspapiere und dann später in wissenschaftlichen Zeitschriften. Also, wenn man mal so ein bisschen über die erste Enttäuschung weg ist, dann ist es immer noch ein super interessantes und wichtiges Ergebnis, weil man eben jetzt weiß, zumindest in diesem Kontext und für dieses spezifische Psychotherapieprogramm, dass womöglich das Geld besser in bedingungslose Geldtransfers gesteckt wäre. Also insofern ist es immer noch eine hoffnungsfrohe Geschichte und man hat was dabei gelernt. Und ich denke, dass sich die Forschungsgemeinschaft langsam in diese Richtung bewegt, dass man lernt, mit Nullergebnissen umzugehen und daraus zu lernen. Es ist dann noch ein weiter Weg, glaube ich, bis die Anreizstrukturen so aussehen, dass sich das auch junge Forscher leisten können und dass diese Ergebnisse genauso leicht veröffentlicht werden wie die sogenannten positiven Ergebnisse. Aber ich denke, wir bewegen uns in die richtige Richtung.

 Sarah: Du hattest mir ja im Vorhinein schon einen Link zu deinem aktuellen Projekt geschickt, das dich sehr interessiert. Das hat mich überrascht und fand ich total spannend, dass das thematisch in eine zumindest teilweise andere Richtung geht. Dieses Bildungsthema - warum das für so vielversprechend? Was erhoffst du dir davon?

 Johannes: So sehr ich diese Geldtransfers zu schätzen weiß, so sehr bin ich doch ein bisschen frustriert davon, weil eben die Ergebnisse zwar positiv, aber jetzt nicht transformativ sind. Ich möchte ja nicht, dass jemand in Kenia von einem Dollar am Tag auf 1,30 am Tag kommt, obwohl das super ist. Sondern ich möchte, dass jemand von einem Dollar am Tag auf ein europäisches Mittelklasseeinkommen kommt. Das ist mein Ziel. Deswegen mache ich das ganze Zeug - und Geldtransfers sind wahrscheinlich nicht der Weg dahin; oder sind zumindest ein sehr langer Weg dahin. Und ich habe mich eben mal hingesetzt und mir überlegt: Was sind denn die Interventionen, die diese Transformationen tatsächlich in die Wege leiten? Und ich glaube, Migration ist da wirklich ein sehr guter Kandidat dafür. Für Migration gibt es natürlich nur sehr wenige legale Wege. Aber einer davon ist eben Bildung. Und reiche Länder sind oft sehr daran interessiert, dass Leute zu ihnen kommen, um sich auszubilden. In Deutschland ist es sehr stark so - Deutschland hat ein gigantisches demografisches Problem. Die Gesellschaft wird immer älter und es wurde schon 2013 beschlossen auf Bundesebene, dass die deutschen Hochschulen sich internationalisieren sollen, also dass ausländische Studierende angezogen werden sollen. Das heißt, es ist wirklich ein tolles Zusammentreffen von einerseits Bedarf auf der deutschen Seite, aber andererseits dem Potenzial von wirklich sehr großer Armutsverringerung. Wenn man diese Möglichkeiten jetzt beispielsweise in meinem Fall ugandischen Studierenden eröffnet. Und das, was ich jetzt konkret mache, ist, dass ich ugandische Schulabgänger dabei unterstütze, sich in Deutschland für Bachelor-Studiengänge zu bewerben. Deutschland ist deswegen ein ganz tolles Ziel dafür, weil es da keine Studiengebühren gibt. Und gleichzeitig schon eine große Anzahl von Bachelor-Studiengängen, beispielsweise von Hochschulen wie der Hochschule Rhein-Waal, der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, der Technischen Hochschule Deggendorf. Innovative, kleinere Hochschulen, die auf Englisch Bachelor-Studiengänge anbieten. Und wir haben also jetzt dieses Jahr zehn Studierende aus Uganda ausgewählt, die wir dabei unterstützen, in Deutschland ein Studium anzufangen und hoffen, dass wir das in den nächsten Jahren noch weiter ausbauen können und dann auch wissenschaftlich untersuchen.

 Sarah: Und der Gedanke dabei ist quasi, dass Migration insoweit hilft, dass Menschen, die in Deutschland studieren, natürlich sehr viel besser ausgebildet sind und deswegen über höhere Einkommen verfügen und dann eventuell auch in ihrem Heimatland wieder.... Da ist mir noch nicht ganz klar, was die Vorannahme ist.

 Johannes: Also ich glaube, es sind zwei Effekte. Der eine ist der der Effekt von Bildung und diese Hochschulen bieten glaub ich schon eine sehr gute Ausbildung an. Das heißt, dadurch werden sich die Chancen der Teilnehmer erhöhen - ob das jetzt auf dem ugandischen oder auf dem deutschen oder europäischen Arbeitsmarkt ist. Und dann ist aber auch ein großer Effekt von Migration. Also selbst wenn man jetzt ohne Ausbildung nach Deutschland migrieren würde, hätte man Einkommen, das um ein Vielfaches höher ist als das Einkommen, das man in Uganda haben könnte. Selbst wenn das jetzt ein Beruf ist, der in Deutschland als Beruf mit niedrigem Einkommen angesehen würde. Also es sind diese zwei Effekte, die sich da kombinieren und was dann hinterher passiert, das soll den Leuten offenstehen. Also ich finde es nicht gut, dann die Möglichkeiten da irgendwie zu beschneiden und ich denke, dass das darauf rauslaufen wird, dass ein Teil davon zurückgehen wird und ein Teil wird versuchen, in Europa oder sogar Deutschland zu bleiben und da einen Job zu finden.

Sarah: Spannend. Bin gespannt, wie das weitergeht. Ich würde dann auch langsam zum Schluss kommen. Hab noch zwei kleine Fragen. Dein ganzer Forschungsbereich ist ja umfangreich, sehr, sehr spannend und sehr, sehr komplex. Was würdest du den Menschen empfehlen, die darüber mehr lernen wollen, zu lesen und zu gucken, zu hören?

 Johannes: Ja, also ich denke, dieses Buch, von dem du vorhin gesprochen hast, „Poor Economics“ von Esther Duflo und Abhijit Banerjee, das ist wirklich sehr gut geschrieben. Ist ziemlich komplex, aber trotzdem für Laien sehr gut zugänglich, finde ich. Es ist bestimmt ein guter Anfang. Wenn man weniger Zeit hat, dann hat Esther Duflo einen guten TED-Talk gegeben. Vor vielen Jahren zwar schon, aber der fasst ziemlich gut zusammen, worum es in der Forschung geht, die auch ich mache. Ich habe selber mal so ein TED-Talk gegeben, aber der ist vielleicht ein bisschen spezifischer auf meine Forschung. Vielleicht nicht so von Interesse, weil man sich breiter interessiert für das ganze Feld.

 Sarah: Den fand ich aber auch sehr interessant. Da ging es ja speziell um Psychology of Poverty.

Johannes: Genau. Also wenn man sich speziell dafür interessiert, dann kann man sich vielleicht das mal angucken. Ansonsten auf meiner Homepage stehen meine ganzen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und teilweise sind die auch so ein bisschen mit der Ambition geschrieben, zugänglicher zu sein. Also beispielsweise das Paper mit Ernst Fehr, von dem du vorhin gesprochen hast. Da ist die Hoffnung schon, dass man es auch verdauen kann, wenn man jetzt nicht so einen großen Fachhintergrund hat.

Sarah: Und next Level: Wenn jetzt jemand selbst in diese Forschung gehen möchte und den Bereich so cool findet, dass man auch das gleiche machen möchte wie du, was würdest du da empfehlen?

Johannes: Also ich bin Ökonom und das ist auch gut, dass ich der geworden bin, als ich angefangen habe, mich für das Thema zu interessieren. Denn dadurch steht einem einfach eine gute Toolbox an Möglichkeiten, Methoden zur Verfügung, die man einsetzen kann, um diese Probleme anzugehen. Das heißt, Ökonomie ist, glaube ich, schon ein sehr hilfreicher Hintergrund, wenn man sich für das Thema interessiert. Inzwischen gibt's auch viele andere Fachbereiche, die die anfangen, ähnliche Sachen zu machen. Also in der Politikwissenschaft beispielsweise gibt's tolle Feldexperimente, auch in der Psychologie werden ganz super Sachen gemacht. Aber jedenfalls eine Sozialwissenschaft ist sehr hilfreich. Vielleicht auch Epidemiologie. Da gibt's auch gute Feldstudien. Also eine wissenschaftliche Vorbildung, die so in diese Richtung geht. Und dann ich würde sagen, entweder eine ne Promotion oder zunächst mal als Forschungsassistent arbeiten und dann ne Promotion machen. Das wäre so der der Standardweg. Es gibt vielleicht andere, die ich nicht kenne, aber das fällt mir ein.

Sarah: Cool. Dann sind wir am Ende angekommen. Ich danke dir sehr für deine Zeit. Es war mega spannend.

Johannes: Vielen Dank.

Das war die erste Folge des Wirklich Gut-Podcasts mit Johannes Haushofer! An GiveDirectly, die Organisation, deren bedingungslose Geldtransfers Johannes untersucht hat, könnt ihr übrigens einfach spenden, und zwar in Deutschland steuerbegünstigt über effektiv-spenden.org.

Ansonsten findet ihr die meisten Dinge, die wir erwähnt haben, in den Shownotes. Eine Zusammenfassung des Gesprächs mit weiteren Infos findet ihr außerdem auf wirklichgut-podcast.de.

Ich freue mich sehr auf Feedback, Fragen und Themenvorschläge per Mail an hallo@wirklichgut-podcast.de oder bei Twitter unter Wirklich Unterstrich Gut. Finanziert wird der Podcast vom Effective Altruism Infrastructure Fund.

Danke fürs Hören und bis zum nächsten Mal!

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