Nr. 4
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Allison Düttmann über Hoffnung für die Zukunft und das lange Leben

Allison ist Präsidentin des Foresight Institutes - wo sie dafür sorgen will, dass eine richtig gute Zukunft für die Menschheit wahrscheinlicher wird. Dabei geht es ihr nicht um ihre Kinder, sondern um weit entfernte Generationen. Die 30-Jährige hat einen außergewöhnlich hoffnungsvollen Blick auf die Menschheit.

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In Folge 4 habe ich mit Allison Düttmann geredet. Allison beschäftigt sich in ihrer Arbeit als Präsidentin des Foresight Institutes mit der weit entfernten Zukunft - ihre Themen muten bisweilen wie Science Fiction an. In dem Interview geht es um ihren hoffnungsvollen Blick auf die Menschheit und die Zukunft. Wir reden über die Erkundung des Weltraums, über Möglichkeiten der Neurotechnologie - und übers Altern: Viele Krankheiten hängen mit dem Alter zusammen und Allison plädiert dafür, sich deutlich mehr als bisher damit zu beschäftigen, wie das Altern verlangsamt und irgendwann vielleicht aufgehalten werden könnte.

Was wir erwähnt haben:

Was Allison empfiehlt:

Weiterführende Lesetipps:

Die Themen

Wieso die weit entfernte Zukunft - wieso Longtermism?

Allisons Arbeit begründet sich auf Longtermism: Das ist die ethische Überzeugung, dass auch künftige Generationen moralischen Wert haben - und wir deswegen deutlich mehr Ressourcen als bislang darauf verwenden sollten, ein gutes Leben für sie zu gewährleisten. Beispielsweise geht es Longtermists darum, das Vorkommen existenzieller Risiken unwahrscheinlicher zu machen. Der Oxford-Philosoph Toby Ord definiert existenzielle Risiken als Risiken, die drohen, das gesamte Potential der Menschheit auszulöschen. Beispiele dafür wären besonders schlimm verlaufenden Pandemien oder Atomkriege. Eine gute Einführung in Longtermism hat Max Roser von Our World in Data geschrieben.

  • "Wenn man sich wirklich vorstellt: In welcher Welt werden meine Kinder leben, in welcher Welt werden deren Kinder leben? Dann sind die Sachen, die sich jetzt sehr langfristig und futuristisch anhören - das werden in deren Leben die Dinge sein, die normal sein werden. Und wenn man sich jetzt damit beschäftigt, hat man eine viel größere Chance, dass man Einfluss nehmen kann, dass diese Technologien in einer besseren Art entwickelt werden, als wenn man sich erst damit beschäftigt, sobald diese Technologien, die jetzt sehr early stage sind, plötzlich zu technologischen Realitäten geworden sind. Also wenn man davon ausgeht, dass Leute in der Zukunft wirklich moralisch wichtig sind und wenn man sich auch nur ein bisschen über sie Gedanken macht, dann gibt es jetzt einen einzigartigen Moment, in dem diese Technologien noch sehr früh da sind, indem man also viel Einfluss nehmen kann darauf, wie sie entwickelt werden. Bevor viele der Konzerne, mit denen viele Leute nicht happy sind momentan, auf sie aufmerksam werden und sie sich zu eigen machen. Viele dieser Technologien haben wirklich unglaublich positive Zukünfte, die sie mit sich bringen könnten - oder unglaubliche Dystopien. Ich glaube, man ist sich dessen sehr selten bewusst."
  • "Natürlich könnte man sagen, es ist jetzt sehr früh, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen. Wir sind noch nicht da. Wir wissen gar nicht genau, wie diese Zukünfte aussehen. Aber auf der anderen Seite wissen wir nicht genau, wie lange es brauchen wird, um diese Zukünfte sicher und positiv zu machen. Deswegen finde ich, ist es nicht zu früh, sich darüber Gedanken zu machen, denn wir wissen nicht, wie viel Zeit wir brauchen oder welche Experimente wir überhaupt machen wollen, welche Diskussion wir haben wollen, um diese Zukünfte besser zu gestalten - darüber haben wir uns noch gar keine Gedanken gemacht. Da finde ich, ist es nicht zu früh, jetzt auf jeden Fall mal darüber nachzudenken, ob man etwas in Gang setzen sollte, um Leute darüber aufmerksam zu machen, dass das Zukünfte sind, die auf jeden Fall nicht unmöglich sind."
  • "Aus vollem Herzen unterstütze ich alle, die an jetziger Armut, an jetzigen verschiedenen sehr relevanten und sehr akuten Problemen arbeiten. Aber: Wenn man sich anguckt, wie viele Leute sich momentan auf der Welt überhaupt Gedanken über die sehr Langzeit-Zukunft machen, sind das sehr wenige. Und ich finde, die Leute, die sich dazu hingezogen fühlen, haben eine unglaubliche Verantwortung, weil wir wirklich in den Early Days sind, wo man das Spielfeld von den ganzen nächsten Generationen bestimmt. Es gibt sehr, sehr wenige Leute momentan, die sich damit beschäftigen - und diejenigen, denen es wichtig ist, dass diese Zukünfte positiv ausgehen, sind vielleicht eine noch kleinere Gruppe."
  • "Es gibt nicht viele Organisationen für zum Beispiel Space Governance Issues. Da gibt es momentan, von der ich weiß, eine einzige Organisation: Open Lunar aus San Francisco, die sich versucht Gedanken zu machen: Was passiert eigentlich, wenn verschiedene Akteure, die an verschiedene Nationalstaaten gebunden sind, auf dem Mond aufeinandertreffen? Wie sieht es aus, wenn die sich über Research-Fragen Gedanken machen müssen und so weiter. Und da ist einfach so viel Raum noch Fortschritt zu machen, dass es unglaublich ist für mich, dass sich nicht mehr Leute damit befassen."

Warum Allison so hoffnungsvoll ist für die langfristige Zukunft

Allison ist bekannt für den Begriff der Existential Hope: existenzielle Hoffnung. Geprägt haben den Begriff Toby Ord und sein Kollege Owen Cotten-Barrett in diesem Paper - als Gegenentwurf zu existenziellen Risiken, die das Potential der Menschheit drohen auszulöschen. Aus einer Perspektive von Existential Hope geht Allison davon aus, dass es auch unglaublich positive Zukünfte geben kann und Ereignisse, die dazu führen.

  • "Ich würde jetzt einfach mal als Gedankenexperiment an deine Zuhörer die Frage stellen: Wenn ihr an die Zukunft denkt, woran denkt ihr dann als erstes? Ist das was Positives? Ist das was Negatives? Und ich finde, das, was zuerst wirklich häufig in die Köpfe schnellt, ist etwas sehr Dystopisches. Und das ist natürlich davon gezeichnet, wie wir momentan mit Medien umgehen und wie die Medien unsere Gedanken formen. Aber ich finde, es liegt auch viel daran, wie wir sozusagen durch die Art, wie wir, die wir unsere Einstellung sozusagen unsere Zukunft verändert, dann wirklich an die Dinge herangehen können. Und für mich ist diese Art existenzieller Hoffnung wirklich eher der Grundgedanke: Wir können nicht das bauen, was wir uns nicht erst vorstellen können. Und ohne nur utopisch zu denken, müssen wir doch versuchen, uns bessere Zukünfte ausmalen zu können. Denn ohne dass wir sie ausmalen können, ist es sehr unwahrscheinlich, dass wir irgendwie reinstolpern. Und ich sage nicht, dass wir nur daran denken sollen. Ich bin mir sehr bewusst, dass, wenn man nur utopisches denkt, dass sich das schnell naiv anhören kann."

Anti Aging und Longevity

Allison liegt viel daran, dass mehr Fortschritte bei der Verlangsamung des Altersprozesses gemacht werden - dass Menschen perspektivisch also länger als bisher leben können. Zu ihrer Sichtweise und Priorisierung gibt es einen guten Überblickstext beim Blog LessWrong.

  • "Ich frag mich immer, warum man das Thema nicht wichtig findet, wenn man das Leben als gut empfindet. Wenn man die Leute um sich herum wirklich liebt, ist es ein unglaublich trauriger Gedanke, dass man diese Leute irgendwann nicht mehr um sich haben wird. Es gibt noch so viel im Leben zu erfahren. Wir fangen jetzt gerade erst an, als Zivilisation wirklich Wissen zu erschaffen und die Leute aus der Armut raus zu hieven, und uns wirklich sehr schöne Zukünfte vorstellen zu können; und da fände ich es einfach schade, daran zu denken, dass das aufhören muss. Und das ist natürlich ein sehr individueller Approach daran zu gehen, aber vielleicht aus einer persönlichen Perspektive: Seitdem ich mich dran erinnern kann als Kind, fand ich es sehr sehr schlimm ins Bett zu gehen in der Nacht. Weil für mich das Schlafen eine starke Erinnerung an den Tod ausgelöst hat. Einfach dadurch, dass man nicht auf der Welt ist. Ich habe es nie als gegeben gesehen, dass man sterben muss und es immer unglaublich schade. Ich hab mich irgendwann damit abgefunden, bis ich mir viel von der der jetzigen Biotechnologie-Wissenschaft angelesen habe und bis ich dann nach San Francisco bin, wo wirklich viele Leute daran arbeiten, dass man sozusagen das Altern aufschieben kann und dass man die Schäden reparieren kann, die mit dem Alter zusammenhängen und dass man wirklich dann längere Zukünfte als Person hat."
  • "Wenn man sich vorstellt, dass viele der Krankheiten, die wir im Leben erfahren, im späteren Alter viel kosteneffektiver verhindert werden könnten, wenn man sich früher mit den Schäden befasst und wenn man versucht diese aufzuhalten, oder wenn man versucht, diese Schäden an den Root Causes zu reparieren. Also es gibt auch wirklich diesen Aspekt, wenn wir uns wirklich darüber Gedanken machen würden, dass die meisten Leute als altersbedingten Krankheiten leiden - dann ist es eine sehr impact-driven oder kosteneffektive Art daranzugehen, dass man diese Schäden wirklich besser beheben oder reparieren kann, wenn sie entstehen."
  • "Es ist eine sehr starke Korrelation, dass alte Menschen sehr viel doller und sehr viel verheerender an vielen der Sachen erkranken, die für junge Leute wirklich kein Thema sind. Und da wirklich darüber nachzudenken: Wie kann man den Körper so aufbauen, dass diese Dinge nicht mehr so belasten könnten? Und das hat natürlich unglaubliche Konsequenzen für das Gesundheitssystem. Das Problem ist, dass es momentan nicht wirklich so angesehen wird, einfach dadurch, dass es nicht wirklich eine Lobby gibt von den Leuten, die momentan noch jung sind und nicht in diesen Zustand kommen wollen, in dem sie weniger resilient sind."
  • "Es gehören viele Sachen 'natürlich' zu unserem Leben dazu,  an denen wir versuchen Verbesserungen zu unternehmen. Ich meine: Krankheiten, könnte man auch sagen, gehören 'natürlich' zum Leben dazu. Bei vielen der Dinge, die wir versuchen zu verbessern, könnte man sagen: Sie sind natürlich bestimmt. Und in dem Sinne, dass das Altern ein Beschleuniger ist von vielen anderen Krankheiten, über die wir uns normalerweise Gedanken machen, finde ich, ist das etwas unfair."
  • "Wir denken häufig über das Leben nach, als wäre es ein Buch oder eine Geschichte mit einer einzigen Storyline. Wo es zu einem Höhepunkt kommt und einem happy ending oder auf jeden Fall einem Ending. Und ein sehr langes Leben würde ein bisschen ja anspornen, das Leben eher als ein Buch mit verschiedenen Short Stories aufzufassen; sodass man sozusagen ein Buch hat, in dem man verschiedene Kapitel oder wirklich ganz verschiedene Geschichten wirklich lebt, sodass man nicht nur eine Storyline hat, die man lebt, sondern dass man sich sehr häufig wiederfinden muss und zwar vielleicht auch so, dass es eine ganz andere Art ist zu Leben. Und dass es nicht nur verschiedene Kapitel sind, sondern verschiedene Storylines in einem Buch."

Worauf Allison sich in den nächsten Jahrzehnten freut

  • "Ich freue mich hoffentlich darauf, dass ich mit meinen Kindeskindern die Erde von oben angucken kann. Auf einem sehr persönlichen Level wäre das eine Sache, die mich unglaublich bereichern würde. Und ich hoffe, dass wir es irgendwann über diesen Bump schaffen, dass wir als Gesellschaft nicht immer in einer Situation sind, wo einige Leute so in die Enge getrieben sind. Ob das gesundheitstechnisch oder ob es ökonomisch ist; dass sie keine wirklichen freien und kreativen Gedanken fassen können und sich nicht mit dem beschäftigen können, was das Leben eigentlich so unglaublich schön macht. Und ich fände es unglaublich schön, in einer Gesellschaft zu leben, in der das ermöglicht werden könnte. Ich glaube, die Sachen, die wir zusammen kreieren könnten, wären unglaublich, wenn den Leuten nur sozusagen die Chance dazu gegeben wäre."
  • "In 10 Jahren hoffe ich, dass wir viel mehr gelernt haben, in friedlicheren mehr value-aligned Communities zu leben, die eine gesunde Art gefunden haben, miteinander zu kooperieren. Das wäre für mich eine Short-term-Utopie. Dass man versucht die Leute zu finden, mit denen man sehr value-aligned ist, dass man mit denen sehr gute Arbeit produzieren kann, dass man mit denen sozusagen High Trust Communities formt. Aber dass diese Communities sich unbedingt auch miteinander austauschen können. Dass es Wissenstransfers gibt zwischen verschiedenen Communities, ohne dass man sich die ganze Zeit daran aufhängen muss, wie man gerade nicht miteinander im Reinen ist."
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